Als ich kurz vor 8 Uhr von der Hausherrin herzlich verabschiedet werde, kracht es in den Weingärten wie bei einer Bauernhochzeit.
Mein erstes Ziel ist der Petersberg, der etwa die gleiche Höhendifferenz aufweist wie meine Walkingstrecke über Messendorfberg, nämlich 115 m. Auf dem Berg gibt es eine archäologische Fundstelle mit einer dreischiffigen Basilika aus dem 10. Jhdt. Außerdem ist der Rundblick außergewöhnlich.
Petersberg 246 mDreischiffige Basilika – Apsis rechtsBlick nach Süden
Auf der anderen Seite geht es hinunter nach Bechtolsheim. Hier werden Weinköniginnen prominent am Ortseingang präsentiert.
Weinkönigin Sina
Den Jakobspilgern wurde von der Weinbruderschaft ein besonders schöner Wegweiser gesetzt.
Die Pfarrkirche (1492) hat eine Besonderheit: Seit Palmsonntag, 15. April 1685 wird die Kirche auf Befehl Ludwigs XIV. von der katholischen und der evangelischen Gemeinde als Simultankirche genutzt. Interessant ist der abgesetzte Turm, der erst 1907 errichtet wurde. Er gehört der Gemeinde und nicht der Kirche. Von 1954 – 1964 gab es über die Verwendung des Geläutes einen Streit, der bis zum Bundesverwaltungsgericht ging.
Simultankirche und Glockenturm Bechtoldsheim
Eine Gruppe Gänse erinnert an den früheren Brauch, dass ein Gänsehirte täglich mit den Gänsen des Dorfes auf die Weide zog.
Gänseschar
Zwischen den Tälern mit den Weingärten gibt es große Hochplateaus.
Der Wehrturm der Kirche in Spießheim wurde schon 1050 errichtet.
Wehrkirche in Spießheim
In der kleinen Stadt Wörrstadt sitze ich beim „Neun Röhren-Brunnen“, der 1609 angelegt wurde. Hier entspringt der Mühlbach. Die Pizza, die ich hier esse, ist nahrhaft, …
Neun-Röhren-Brunnen
Der letzte Ausscheller hat bis 1969 seine Tätigkeit ausgeübt.
Ausscheller
Jetzt bin ich am Ziel in Ober-Hilbersheim, auch ein uralter Ort. Ich bin in der „Alten Kelter“ eingekehrt, ein entzückend renovierter Winzerhof.
Ober-HilbersheimAlte Kelter
Zum Abendessen gibt es heute eine Vesperplatte und zwei Federweiße. In der Steiermark sagen wir dazu Sturm. Beides ist köstlich und ausreichend.
Ich möchte euch den Wormser Dom im Morgengrauen bei blauem Himmel nicht vorenthalten. Nach dem Frühstück starte ich meinen Tagesmarsch direkt vor dem Dom, wo ein Stein mit der Jakobsmuschel den Jakobsweg anzeigt.
Dom zu WormsDer Jakobsweg geht beim Dom vorbei
Die Kämmererstraße ist sonst gefüllt mit pulsierendem Leben. Um 8 Uhr früh ist davon nichts zu spüren.
Kämmererstraße
Die Martinspforte zeigt das Ende der Altstadt an.
Die Liebfrauenkirche ist die einzige rein gotische Kirche der Stadt und hat den Weingroßhändler Valckenberg zur Weinmarke „Liebfrauenmilch“ inspiriert. Das süße Gesöff hat wohl auch andere Winzer zur Glykolpantscherei verleitet.
In Herrnsheim komme ich an einem großen Schlosskomplex vorbei, der heute der Stadt Worms gehört.
Jetzt bin ich im Weingebiet angekommen. Fast den Rest der Strecke gehe ich heute durch Weinriede.
Automatische Knallanlage zur Vertreibung der StareWein soweit das Auge reicht
Die Lese erfolgt rein maschinell. Der Ernter kann 3500 l in seinem Tank sammeln, bevor das Traubenmaterial in den Transporter umgefüllt wird.
Traubenernter
Einer wacht über die Weingärten.
Die Weihnachtsgänse 2020 haben noch ein gutes Leben.
Die Kirche in Framersheim (1903) ist geschlossen, aber in einem Kästchen finde ich einen Stempel für meinen Pilgerpass.
Kurz vor Gau-Odernheim beginnt es leicht zu nieseln. Ich verwechsle Wormser Straße und Mainzer Straße und handle mir ein paar Meter Weg mehr ein.
Gau-OdernheimRathaus
Im einzigen Gasthaus im Ort stärke ich mich mit Lammkoteletts und Salat.
Ich übernachte im Gästehaus Bikers Lodge bei einer sehr netten Familie.
Am Abend hat es ein wenig genieselt, doch in der Früh war es trocken. Um 5.30 Uhr war ein Großeinsatz der Feuerwehr beim Krankenhaus gegenüber. Mindestens 6 Einsatzfahrzeuge sind auf einmal angekommen. Gut, dass ich trotzdem weiterschlafen konnte.
Nach dem Frühstück gehe ich los und komme an der nahen Franziskanerkirche von Oggersheim vorbei.
Franziskanerkirche Oggersheim
Der nächste Name ist mir schon von persönlichen Verkostungen bekannt: Mayerbräu.
Mayerbräu
Gleich daneben hat Friedrich Schiller 1782 inkognito gelebt, nachdem er mit seinem Landesherrn im Clinch lag. Heute ist dort die Stadtbücherei untergebracht.
Schillerhaus in Oggersheim
Die BASF (Badnische Anilin- und Sodafabrik) beherrscht die ganze Umgebung. Die riesigen Fabriksanlagen ziehen sich über Kilometer.
BASF im MorgenlichtBASF
Trotzdem gibt es in der Nähe viel Grün und Natur. Die Felder werden wieder intensiv für den Gemüseanbau verwendet.
Dammweg am Rande der BASF„Flachland“
Endlich komme ich wieder an den Rhein. Die Theodor-Heuss-Brücke (A6) über den Strom besteht aus gewaltigen Steinblöcken und wurde 1938 begonnen und erst 1964 fertiggestellt. Dann gehe ich den Uferweg entlang und genieße die Landschaft und beobachte die vorbeifahrenden Schiffe.
Theodor-Heuss-Brücke für die A6ContainerschiffStromkilometer 434 (von der Quelle aus berechnet)Treppelweg
Kurz vor Worms habe ich meinen 1000. Kilometer auf dem Weg von Graz nach Köln zurückgelegt. Jetzt grüßt einmal Worms.
Empfang in Worms
Im Zentrum und an höchster Stelle steht der Dom zu Worms.
Ich fange gleich mit einem Rundgang um den Dom an. Er wurde im Wesentlichen von 1130 bis 1181 erbaut. Im Juli 2019 war ich mit Heidrun schon einmal hier, aber durch die Nibelungenfestspiele war die Kirche fast unzugänglich. Corona hat das heuer ermöglicht. Das Südportal wird von einem prächtigen Tympanon und schönen Verzierungen geprägt.
Vor dem Kaiserportal, das früher viel imposanter und prächtiger gewesen war, hat sich der Zickenkrieg zwischen Brunhild und Kriemhild abgespielt, der dann mit der Auslöschung der Nibelungen endete.
Die beiden Westtürme leuchten im Abendlicht.
Westfassade
Den besten Blick auf die Basilika habe ich vom Fenster meiner Unterkunft.
Das Innere ist im Laufe der Jahrhunderte verändert worden. Der barocke Hauptaltar stammt aus dem 18. Jhdt.
Am anderen Ende der Kirche befindet sich ebenfalls ein Altar.
In der Nikolauskapelle schaffen die modernen Glasfenster eine mystische Stimmung. Hier wird seit wenigen Jahren wieder eine Reliquie des Heiligen aufbewahrt, nachdem die alte in den Erbfolgekriegen verloren ging.
GlasfensterNikolausreliquieSpätgotischer Taufstein in der Nikolauskapelle
Auf meinem Rundgang durch die Stadt komme ich zuerst beim Siegfriedbrunnen vorbei.
Im Nibelungenmuseum gibt es eine gute multimediale Aufarbeitung der Geschichte.
2021 ist das Gedenkjahr an den Wormser Reichstag, wo Luther sich dem Kaiser und dem Gefolge erklärte. Deshalb sind schon überall zusätzlich zu den Hinweisen auf den Reformator Info-Tafeln aufgestellt.
Lutherdenkmal am Adenauer-RingLuthers Schuhe – In diese Schuhe passen nur ganz Große
Ich habe mich in der Jugendherberge einquartiert – ein richtiges Komfortzimmer im 2. Stock.
Jugendherberge Worms
Ich gehe noch zum Abendessen in „Die Pfälzer“ mit einheimischer Kost und gutem Wein aus der Region.
Frisch geräucherte Forelle mit Bratkartoffeln und Sahnemeerrettich und einen guten Grünen SylvanerNacht über dem Dom
Gestern Abend traf ich eine Pilgerin und einen Pilger, die von Speyer in den Süden unterwegs sind. Wir tauschten mit Masken unsere Erlebnisse aus.
Heute gibt es einmal ein ausgiebiges Frühstücksbuffet. Um 8.15 Uhr gehe ich aus dem Haus und folge vorerst ein Stück dem Rhein.
Am Helmut-Kohl-Ufer
Ich gehe wieder zum Dom und weiter durch die Maximilianstraße in Richtung Bahnhof.
Rathaus in der Maximilianstraße
Beim Altpörtel verlasse ich das Altstadtzentrum.
Das Altpörtel war das westliche Stadttor
Vorerst gehe ich mehrere Kilometer durch die Vorstadt von Speyer, die von vielen Geschäftslokalen geprägt ist.
Nach fast 10 km komme ich zu diesem alten Wegweiser.
Wegweiser
In Schifferstadt stehen noch viel kleine Fachwerkhäuser. Auch einen „Wilden Mann“ haben sie in der Stadt.
Große KapellenstraßeWilder MannAltes Rathaus aus 1558
Die Stadt soll auch die Hauptstadt des Rettichs sein. Dafür steht die Skulptur einer Erntehelferin vor dem neuen Rathaus.
Rettichernte
Die größte Attraktion ist aber der „Goldene Hut“, der 1835 ganz in der Nähe der Stadt. Von einem Landarbeiter gefunden und sofort gemeldet wurde. Der Hut wurde aus einem 350 g schweren Goldstück getrieben, ist fast 30 cm hoch und zwischen 0,25 und 0,08 mm dick. Hergestellt wurde das Kunstwerk, das vielleicht Kalenderfunktion hat, 1500 -1400 vor Christus in der Bronzezeit. Das Original befindet sich im Historischen Museum der Pfalz in Speyer.
Replik des Goldenen Hutes im RathausGoldener Hut als Hauszeichen
Ich wandere an der Bahnlinie weiter bis Limburgerhof mit einer neuen Kirche.
Dort entdecke ich ein neues „altes Zunftzeichen“.
Der Weg führt jetzt durch intensives Agrarland mit riesigen Gemüsefeldern oder Beerenplantagen.
Kürbisse für HalloweenHimbeerplantage
Nach 23 km habe ich erstmals keinen Asphalt unter den Sohlen. Ich gehe durch das Maudacher Bruch, entlang einem Altarm des Rheins, der schon 900 v. Chr. vom Fluss abgetrennt wurde. Im 19. Jhdt. wurde großflächig Torf gestochen. 1885 wurde die Au zum letzten Mal vom Rhein überflutet. Heute ist es ein Naturschutzgebiet.
Heute übernachte ich im Hotel Kalimera in Oggersheim. Daran angeschlossen ist auch ein griechisches Restaurant.
Das Essen ist ein Genuss:
Meze – „kleine“ VorspeiseSalat als ZwischengerichtHauptspeise: Schweinsmedaillons mit Käse überbacken
Ich bin wieder unterwegs! Ich will den 3. Abschnitt meiner VIA COLONIENSIS, meinen Weg von Graz nach Köln in Angriff nehmen. Nach ungefähr 950 km bis Speyer liegen noch etwa 360km vor mir. Von Speyer geht es vorerst den Rhein entlang bis Worms und dann weiter nach Nordwesten über Wörrstadt bis Bingen. Von dort ist der Linksrheinische Jakobsweg mein Begleiter, nur eben in die entgegengesetzte Richtung. Ich freue mich schon auf Begegnungen mit entgegenkommenden Pilgern. Das Ziel ist Köln als alter Pilgerort mit den Hl. Drei Königen und der Hl. Ursula.
Um 5.09 beginne ich meine Reise am Bahnhof Graz Liebenau-Murpark. Heidrun hat mich zum Bahnhof begleitet, da es geregnet hat und ich nicht gleich in Regenkleidung starten wollte. Leider ist mein Rucksack wieder nicht leichter geworden, aber mit Flagge und Köln-Weg – Zeichen ist er schön wie immer.
Früher Start in LiebenauMeine „Bodenstation“ wird mich auch diesmal von zu Hause aus betreuen.
Am Hauptbahnhof Graz steht schon der EC 218 nach München bereit und ich habe in der ersten Klasse vorerst ein Abteil für mich allein.
Mein zweiter ZugSehr bequem!
Über Salzburg geht es nach München. Fast auf die Minute genau treffen wir am Hauptbahnhof ein. Eigentlich hätte ich nur am gleichen Bahnsteig in den Nebenzug einsteigen sollen. Eigentlich! Plötzlich werden wir aufgefordert, von Gleis 13 auf Gleis 19 zu wechseln. Also Tempo und Laufschritt. Dort steht der Zug, aber die Türen öffnen sich nicht. Alle warten, was da kommt.
ICE 596MNS ist Pflicht
Ein paar Durchsagen mit Bitte um Geduld lassen hoffen. Dann kommt die Zugmannschaft und informiert, dass eine Ersatzgarnitur auf Gleis 15 einfahren wird. Also zurück, aber nun schön gemütlich.
Im richtigen WaggonGenug Platz
Mit einer halben Stunde Verspätung fahren wir dann mit dem ICE 596 los. Gleich nach München wird es plötzlich hell. Mit 230km/h fahren wir in Richtung Nordwesten in Richtung Mannheim.
Kurz nach MünchenWenigstens kein Bummelzug
Fast hätte ich meine geplante S-Bahn nach Speyer erreicht. Der ICE hat viel Verspätung wettgemacht, bis er schlussendlich von einer lokalen S-Bahn ausgebremst wurde. Es ist nicht viel passiert. Ich fahre halt 30 Minuten später. So habe ich Zeit, mir das Bahnhofsgebäude von Mannheim von außen anzusehen.
Hauptbahnhof Mannheim
Die letzte Strecke bis Speyer lege ich mit der S3 zurück.
S3 in Mannheim
Jetzt geht es über den Rhein.
Ein kurzer Blick auf den Rhein
Nach gut 12 Stunden in und um die Bahn komme ich überraschend munter am Bahnhof in Speyer an.
„Hauptbahnhof“ Speyer
Auf dem Weg zum Dom treffe ich auf denselben Herrn wie im Juli.
Zwei Pilger
Ein kurzer Zwischenstopp im Dom muss einfach sein.
Dom zu Speyer
Ich checke in der frisch renovierten Jugendherberge ein. Im Juli standen hier noch die Gerüste.
Jugendherberge Speyer
Jetzt habe ich mir ein ordentliches Abendessen verdient. Das muss etwas Bodenständiges sein. Die Gästeliste ist hier selbstverständlich.
Pfälzer Saumagen auf Sauerkraut und ein einheimisches Bier.
Die heutigen drei Kilometer sind zum Warmgehen. ULTREIA! An guatn Weg!
Mit der Zusammenfassung des 2. Abschnitts meines Wegs von Graz nach Köln, der mich von Schlögen in Oberösterreich über Passau, Regensburg, Hohenburg, Feucht, Rothenburg nach Speyer führte, möchte ich Pilgern, die einen „Ausweg aus der Coronakrise“ suchen, schöne Alternativen aufzeigen. Zuerst ist der Donauweg mein Begleiter, dann Teile des Jurasteigs und schließlich der Jakobsweg Prag – Rothenburg – Speyer.
Anreise und Rückfahrt: Die Anreise war für mich vollkommen unproblematisch: Mit der Bahn von Graz nach Linz und von dort mit dem Bus 670 bis zur Ausstiegsstelle Schlögen, Abzw. Inzell. Ich kam um 12.00 Uhr an und hatte genug Zeit für die erste Etappe. Die Rückreise von Speyer nach Graz gestaltetete sich etwas langwieriger: Speyer – Mannheim – Augsburg – Salzburg – Graz waren die Stationen mit immer nur wenigen Minuten Zeit zum Umsteigen. Dass sich das immer ausging, war ein Wunder. Bei 10:15 Stunden Fahrzeit hat man viel Zeit für eine Rückschau.
Ankunft in Schlögen/OÖAbfahrt in Speyer
Der Weg: Die Abschnitte mit den großen Höhendifferenzen sind vorbei. Nur an den ersten drei Tagen bis Passau gab es noch nennenswerte Unterschiede. Der Donauweg führt mit Ausnahme von lokalen Steigungen eben dahin; ebenso meine Variante von Regensburg nach Hohenburg. Ab Hohenburg bietet die Landschaft über sanfte Hügel ein ständiges Auf und Ab.
Ich war überrascht, wieviele Schotterwege und Wiesenpfade auf dem Weg zu finden waren. Auch viele Radwege sind noch nicht asphaltiert. Größere, verkehrsreiche Straßen waren die Ausnahme und wenn, ging es meist am begleitenden Radweg dahin.
Für meine Wegplanung habe ich die großen Routen, den Donauweg, den Jurasteig und die Jakobswege Tillyschanz – Rothenburg und Rothenburg – Speyer zum Vorbild genommen und nach meinen Ideen adaptiert. Auch noch unterwegs habe ich Korrekturen an der Planung vorgenommen.
Meine geplanten Routen habe ich lokal am Smartphone gespeichert und kann sie mir auf der ebenfalls lokal gespeicherte Karten von Osmand anzeigen lassen. Damit habe ich mehr Sicherheit und Freiheit zur Umplanung unterwegs.
Die Markierungen auf dem Weg waren ausgezeichnet und eindeutig. Oft waren die Wege auch gemäht oder freigeschnitten. Erst im letzten Abschnitt fehlte öfters die Jakobsmuschel als Markierung, weil viele andere Parallelwege markiert waren.
Unterkunft und Verpflegung: Im Anhang gibt es auch eine Unterkunftsliste. Pilgerherbergen im üblichen Sinne habe ich keine gefunden. Ich übernachtete vor allem in Gasthöfen, Pensionen und selten in Privatquartieren. Stellenweise ist es nicht einfach, ein geeignetes Quartier in entsprechender Entfernung zu finden. So habe ich auch den „vorgegebenen “ Jakobsweg nach links oder rechts verlassen müssen. Ich bekam mehrfach ganze Ferienwohnungen für mich allein zur Benutzung.
Ruhetage in den Quartieren lassen es ratsam erscheinen, sich vorher telefonisch zu erkundigen. Ich habe im Notfall auch bei den Gemeindeämtern nachgefragt, ob es eine Unterkunftsmöglichkeit gibt und bin immer bestens beraten worden. Auch an Wochenenden kann es an neuralgischen Punkten (Radwege) zu Quartierproblemen kommen. Die Relation von Preis und Qualität stimmt nicht immer – das betrifft sowohl das Essen als auch die Quartiere.
Frühstück in WeihenzellMittagessen in StraubingBrotzeit in Gaishofen
Viele Quartiere bieten kein Frühstück an (auch Corona bedingt). Dann bin ich in die nächste Bäckerei ausgewichen, was auch einmal 15 km gedauert hat. Die Möglichkeit zum Abendessen war fast immer gegeben. Da der Weg erstaunlich oft weit von Ortschaften entfernt vorbeiführt, sollte man sich rechtzeitig um notwendige Einkäufe kümmern. Unterwegs kann es auch längere Strecken ohne Infrastruktur geben.
Natur und Kultur: Ich war überrascht wieviel ruhige Natur mir auf dieser Route geboten wurde. Viele Wildbeobachtungen, lautes Vogelgezitscher oder die Rufe der Milane begleiteten mich. Auch die großen Wälder der bayrischen Bundesforste hatte ich nicht erwartet.
Die vielen kulturellen Highlights auf der Route kann man gar nicht alle wahrnehmen, sonst wäre man Jahre unterwegs. Passau, Regensburg, Rothenburg und Speyer sprechen für sich.
Aber auch viele kleine Orte konnten mit Großartigem aufwarten. Durch die Coronakrise waren natürlich nur wenige Touristen unterwegs, was besonders in Rothenburg krass auffiel, war ich doch erst im August 2019 dort, da sah es ganz anders aus.
Statistik: An den 24 Gehtagen habe ich mehr als 640 km zurückgelegt, für die Statistik bleiben nach Abzug der Stadtbesichtigungen und diverser „Ehrenrunden“ 615 km übrig. Dabei fielen etwa 4820 Bergauf- und 5000 Bergab- Höhenmeter an. Die Tagesstrecken lagen zwischen 14 und 37 km.
Alle Angaben bezüglich der Quartiere und Distanzen sind ohne Gewähr. Es liegt in der Eigenverantwortung des Benutzers, sich von der Richtigkeit zu überzeugen.
Heute gibt es nur eine kleine Draufgabe, der Vollständigkeit halber.
Gestern habe ich meine Ankunft mit einem Salat mit Garnelenspießen in einem Biergarten ausklingen lassen. Danach bin ich noch ein bisschen am Rheinweg geschlendert.
Die Nacht war sehr ruhig, obwohl sehr viele Familien im Haus sind. Um 7.30 Uhr gibt es Frühstück und um 8.00 Uhr gehe ich aus dem Haus. Der Biergarten sieht bei dem Licht noch viel besser aus als gestern Abend.
Unweit des Domes gibt es eine Skulpturengruppe aus Stein, die die Salierkaiser darstellt. Sie entstand in einer Zeit, in der man seine Stellung auf die Ahnen berufen hat, die sich ohnehin nicht wehren konnten.
Nochmals sehe ich den Dom in seiner Schlichtheit und Schönheit. Nochmals gehe ich hinein, dankbar, dass ich diesen Wegabschnitt gesund und unfallfrei hinter mich gebracht habe.
Dann mache ich mich auf den Weg zum kleinen Bahnhof von Speyer. Die nächsten 10:15 Stunden werde ich in der Bahn verbringen: Speyer – Mannheim – Augsburg – Salzburg – Graz sind meine Stationen. Zum Wechseln der Züge bleiben immer nur ein paar Minuten, aber es klappt bis zum Schluss. Auch der Zug in Salzburg wartet auf mich.
Jetzt bin ich schon froh, wieder nach Hause zu kommen. Weggehen ist schön – heimkommen nicht minder.
Ich sitze schon um 6:30 Uhr beim Frühstück im naheliegenden Café. So bin ich bereits um 7 Uhr startbereit. Als ich bei der Schule vorbeikomme, denke ich an meine Kolleginnen und Kollegen und an die Schülerinnen und Schüler, die heute ihren letzten Schultag haben. Schöne Ferien!
Diese Gegend soll das Spargelparadies sein, jetzt ist die Saison aber schon vorbei.
Eigentlich sollte die Brücke mit dem Kran eine Unterführung der Autobahn A5 sein. Durch die Bauarbeiten ist sie aber gesperrt. Glücklicherweise ist der Umweg zur nächsten Unterführung nicht weit.
853 wird erstmals ein Kanonikerstift namens St. Leon erwähnt (Patron: Leo der Große, Papst von 440 bis 461). Angeblich sei auch Papst Leo IX hier gewesen, um die Kirche zu weihen. Dieses Kirchengebäude wurde erst 1955 errichtet.
Das Rathaus von Reilingen, einem kleinen Dorf am Weg. Es herrscht so richtig Dorfidylle in diesem langgezogenen Ort.
Auf Abstände legt man in Zeiten von Corona größten Wert. Maximal zwei Kunden im Laden, die anderen warten mit Abstand und Anstand davor.
Vor einer Dorfbäckerei
Der St. Leoner See entstand durch die Schotterentnahme für das nahe Autobahnkreuz A5/A6 und ist heute eine begehrte Freizeiteinrichtung.
Vor Neulußheim kreuze ich die Rheinbahn. Die neue Bahnüberführung für Fußgänger zeigt das Verbindende. Sie wurde vom deutschen, international bekannten Architekten und Bildhauer Gottfried Böhm entworfen.
Nun komme ich in das Überschwemmungsgebiet des Rheins, das als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist.
Die B39 verläuft auf dem Damm links. Nichts ist vom Fluss zu sehen.
Wieder gibt es eine Baustelle. Aber jetzt wird die Fahrbahn zum Gehsteig. Zumindest so lange kein Bus kommt. Und die Fahrräder haben auch genügend Platz.
Dann sehe ich den Rhein und die Kathedrale von Speyer, auch Kaiser- und Mariendom genannt, gleichzeitig.
RHENUM TRANSISSE SUM – oder so ähnlich. Ich habe den Rhein überquert und bin in Rheinland-Pfalz angekommen. Auf Wiedersehen Baden-Württemberg!
Gleich nach der Rheinbrücke ist meine Unterkunft, wo ich den Rucksack loswerde und ich unbeschwert (im wahrsten Sinne des Wortes) in die Stadt gehen kann.
Der Speyerer Dom ist die größte romanische Kirche der Welt. Der salische König und spätere Kaiser Konrad II. ließ vermutlich 1025 den Bau mit dem Ziel beginnen, die größte Kirche des Abendlands zu errichten. 1061 wurde der erste Bau eingeweiht, der aber gleich wieder erweitert wurde. Die Krypta blieb seit damals fast unberührt.
Dom zu SpeyerDom zu Speyer Neoromanische Westfront
Das Innere ist in seiner Schlichtheit, aber Größe beeindruckend.
In der Krypta wurden viele deutsche Kaiser, unter anderem Rudolf I. von Habsburg, bestattet. Die Halle der Krypta ist die größte aus dieser Zeit.
Rudolf von Habsburg, GrabRudolf von Habsburg, Grabplatte um 1285
Im Narthex beim Hauptportal stehen Skulpturen deutscher Kaiser, die um 1900 in Wien angefertigt wurden.
Hauptportal von Toni Schneider-Manzell, Salzburg, 8,14m x 3,50m, 6 tRudolf von HabsburgRudolf von Habsburg noch einmal
Dann fange ich an, die Umgebung des Doms zu erkunden.
Der Domnapf ist eine große steinerne Schale vor dem Kaiserdom. Er soll gemäß der Überlieferung nach jeder Neuwahl eines Bischofs „für das gesamte Volk“ mit Wein gefüllt werden. Der Napf fasst 1580 Liter. Er war aber auch Grenze zwischen weltlicher und geistlicher Gerichtsbarkeit in der Stadt.
DomnapfMaximilianstraßeStadthausJakobus und GerhardusAm Ziel
Das Altpörtel war das westliche Stadttor. Mit einer Höhe von 55 Metern ist es eines der höchsten und bedeutendsten Stadttore Deutschlands. Es wurde im Jahr 1176 erstmals urkundlich erwähnt und war einer von 68 Mauer- und Tortürmen der Stadtbefestigung der Freien Reichsstadt Speyer.
Altpörtel
Natürlich gäbe es noch viel zu berichten, aber vielleicht ein anderes Mal.
Ich habe in der Jugendherberge eingecheckt, die teilweise gerade renoviert wird und viel Komfort hat. Sie liegt direkt am Rheinufer.
In der Früh vertratsche ich mich mit meiner Gastgeberin und komme erst vor 8 Uhr aus dem Haus. Es ist heute etwas schwül. Ich gehe wieder am Auto-Technik Museum vorbei und komme in die Innenstadt von Sinsheim. Das moderne Gemeindezentrum mit Rathaus, Veranstaltungszentrum und Bücherei scheint gut gelungen.
Rathaus Sinsheim
In der Innenstadt treffe ich auf die nette Skulptur „Sinsemer Wetzstoispucker“.
„Sinsemer Wetzstoispucker“
Das Museum zeigt, wie die Häuser früher ausgesehen haben. In der Hauptstraße sieht es aus wie überall.
Museum SinsheimHauptstraße in Sinsheim
Die Jakobskirche, ein Bau aus den 1960ern, hätte mich von innen interessiert. Leider geschlossen!
St. Jakobus
Dann geht es auf Radwegen weiter nach Eichtersheim, wo in einem englischen Landschaftspark das Wasserschloss Eichtersheim steht. Es wurde im 16. Jahrhundert von den Herren von Venningen errichtet. Auch die Schlosskirche Eichtersheim aus dem 18. Jhdt. liegt gleich daneben. Im ehemaligen Renthaus des Schlosses wurde der Revolutionär des Badischen Aufstandes von 1848, Friedrich Karl Franz Hecker, geboren.
Hervorzuheben ist noch der alte Gutshof aus dem Jahr 1768, in dem ein Seniorenstift untergebracht ist, geschmückt vom Wappen der Venningen-Hutten. Mir hat das alte schmiedeeiserne Tor besonders gefallen.
Gutshof
Ein Stück gehe ich dem Waldangelsbach entlang und wechsle dann über einen waldigen Hügel in das Hengstbachtal. Die kath. Pfarrkirche St. Nikolaus wurde im 19. Jhdt. im Stil des Klassizismus errichtet und ist innen und außen sehr einfach und schlicht gehalten.
St. NikolausSt. NikolausSt. Jakob, St. Maria, St. Nikolaus
In der Zwischenzeit ist die Temperatur gestiegen. Ein bisschen Direktsonne muss man einberechnen, aber der 30er stimmt sicher.
Malsch
Nach dem Weinbauort Malsch geht es direttissima zwischen den Weinstöcken hinauf auf den Letzenberg (274 m). Neben einer grandiosen Aussicht bis zum Schwarzwald und ins Rheintal gibt es hier auch die Wallfahrtskirche Letzenberg. Der heutige Bau entstand 1901 – 1905 und wurde im Stil der Neoromanik ausgeführt. Die Pläne gewannen bei der Bauausstellung 1900 in Dresden eine Goldmedaille. Die Kirche ist nur am Wochenende offen.
Wallfahrtskapelle „Sieben Schmerzen Mariens“
Ich mache im Schatten der Bäume eine längere Rast und komme mit Benedikt, einem anderen Besucher, in ein nettes Gespräch. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Dann marschiere ich auf der anderen Seite des Letzenbergs hinunter nach Malschenberg.
Hauptstraße in Malschenberg
Jetzt durchquere ich den Bruchwald um den Kahlbach, habe noch eine „Steigung“ bei der Bahnlinie zu überwinden und komme nach St. Leon-Rot.
„Bruch“Einfahrt nach Rot
Im Ortsteil Rot nächtige ich im Gasthaus Sonne, das auch Fremdenzimmer hat.
Heute am Morgen ist es recht kühl. Da ich beim benachbarten Cafe im Freien sitzen will, ziehe ich mir erstmals die Fleecejacke an. Und das ist eine richtige Entscheidung. Um 7. 15 Uhr bin ich bereit loszugehen. Ich lasse die bunten Häuser der Altstadt auf mich wirken und komme zu einer Stelle mit schönem Ausblick auf das Neckartal.
Dann geht es durch Felder und Wälder nach Westen, während der Neckar vorerst nach Norden fließt.
Nach einer langen Strecke durch Wälder komme ich nach Bad Rappenau, das für die medizinischen Anwendungen von Sole bekannt ist. Die Anlagen muten wie aus dem Museum an, sind aber teilweise seit über 140 Jahre in Betrieb. 1822 wurde die erste Bohrung in die Salzlager in 200 m vorgenommen. Mit dem Tretrad hat man das Bohrgestänge gewechselt und in den Pumphäusern stehen die Pumpen, die die Sole heben. Wasser wird in die Tiefe gepumpt, wo es sich mit Kochsalz auf 27 % Salzgehalt anreichert und dann zu den Kureinrichtungen weitergeleitet wird.
Auf dem Platz vor der Kirche und dem Rathaus werden an ein paar Ständen Obst, Gemüse und Käse verkauft.
Die Wandgestaltung dieses Privathauses möchte ich euch nicht vorenthalten.
Jetzt beginnt eine Schlössertour, wobei meine Recherchen ergeben, dass mehrere von ihnen der gleichen Sippe, Gemmingen-Hornberg, gehören (gehörten). Das Wasserschloss in Bad Rappenau war zwischenzeitlich Rathaus und ist jetzt Ausstellungs- und Veranstaltungsort.
Das Schloss Babstadt wurde um 1900 anstelle eines Vorgängerbauwerks erbaut und zählt damit zu den jüngsten Schlössern des Landkreises. Heute dient es den Nachfahren der Familie als Wohnsitz.
Wer traut sich da hinein?
Das SchlossGrombachist eine ehemalige Wasserburg aus dem 13. Jahrhundert. Die Freiherren von Gemmingen waren die letzten Besitzer und ein Nachfahre der Familie nimmt sich der Anlage jetzt an. Auf der Straße treffe ich einen älteren Herren (noch älter als ich), der Verwandtschaft in der Steiermark hat und es dauert länger, bis ich weiter komme.
Auch das Schloss Neuhaus bleibt in der Familie. Es ist schön renoviert und dient heute als exklusiver Veranstaltungsort für Hochzeiten, Geburtstage und anderes mehr. Nicht weniger als fünfundzwanzig Schlafräume unterschiedlichster Größe können angeboten werden, wie mir ein Angestellter berichtet. Und für 13.000 Euro für’s Wochenende inklusive Personal ist man mit dabei.
Ich komme nach Steinsfurt, wo ich auch nächtigen werde. Hier wurde Friedrich der Große von den Leuten seines Vaters erwischt, als er das Land nach Frankreich verlassen wollte, um dem strengen Vater zu entkommen. Heute steht hier sein Denkmal.
Zuerst evangelische Kirche, dann Gasthaus und zum Abschluss Kino!
Eine Replica eine Jupitergigantensäule im Ortszentrum erinnert an die Funde, die man unweit von hier gemacht hat. Die Originale sind im Museum.
Ich habe heute noch nicht genug und besuche das Technik-Museum Sinsheim, das nur zwei Kilometer entfernt ist. In einer großen Schau findet man alles, was sich auf zwei, vier oder mehr Rädern bewegt oder in der Luft fliegt.
Ich nächtige heute in der Pension Fröhlich am Ortsrand von Steinsfurt.