1521 erhielt Martin Luther von Kaiser Karl V die „Einladung“ zum Reichstag zu Worms, der der Reformator nachkam. Ein Teil der Strecke wurde 500 Jahre später zum Gedenken an diese schicksalhafte Reise als „Lutherweg 1521“ ausgewiesen. Dieser Pilgerweg führt von Eisenach mit der bekannten Wartburg über Frankfurt/Main nach Worms.
Martin Luther (Ausschnitt eines Bildes von Lukas Cranach -Schloss Gotthof, Scheswig)
Wir, meine Frau Heidrun und ich, möchten uns auf die Spuren Luthers machen und den etwa 375 km langen Weg von Eisenach nach Worms in Angriff nehmen. Wir sind schon neugierig, was uns in den nächste drei Wochen erwartet.
Diese Zusammenfassung des 1. Abschnittes der Via Francigena von Rom nach Süden beschreibt den Weg der Pilger von Rom in Richtung Jerusalem. Der führt mich auf wesentlichen Teilen der Via Appia Antica und der Via Trajana vorerst nach Süden bis Terracina und dann nach Osten über den südlichen Apennin in Richtung Adria.
Anreise und Rückfahrt: Für die Anreise hatte ich mich wieder für die Bahn entschieden: Graz – Bruck/Mur mit dem Railjet oder mit der S-Bahn und dann Umsteigen in den NightJet bis Rom. Ich kam fast pünktlich am frühen Vormittag in Rom an. Als Rückreisebahnhof habe ich mir Foggia ausgesucht, weil ich dorthin gute Verbindungen aus der Region habe. Von Foggia ging die geplante Fahrt nach Bologna und weiter nach Mestre. Von dort war die Fahrt mit dem Railjet nach Klagenfurt und dem Anschlussbus nach Graz geplant. Durch verschiedene Verspätungen erreichte ich den Bus nicht mehr, fuhr wieder bis Bruck an der Mur und von dort nach Graz. Die ÖBB überwies mir dann 55 % des Fahrpreises.
Nightjet Wien – RomaNightjet Wien – Roma SchlafwagenabteilFrecciarossaFrecciarossa
Der Weg: Allein schon durch die Länge der Strecke, die durch verschiedene Landschaften führt, stellt sich der Weg als vielfältig heraus. Nach dem Start in der Großstadt und der kerzengeraden Via Appia Antica folgen die Hügel um den Albaner See. Der Weg streift die ehemaligen Pontinischen Sümpfe, um wieder hügelauf hügelab dem küstennahen Gebirge bis Formia zu folgen. Dann geht es über den bergigen Apennin, um schließlich in die Küstenebenen an der Adria zu erreichen.
Die tätsächlichen Höhendifferenzen waren nicht extrem, manchmal doch herausfordernd. Zum Leidwesen der Wanderer gab es tageweise viele asphaltierte Strecken. Ich war trotzdem überrascht, wie viele Schotterwege und Wiesenpfade noch zu finden waren. Stark befahrene Straßen sind oft von abgetrennten Fußwegen begleitet. Auf den anderen Wegen waren Fahrzeuge oft eine Abwechslung.
Corso Vittorio Emanuele IIVia Appia Antica beim Mausoleo di CeciliaPfad entlang des Bolsena Sees.Wiesenweg bei VeletriAnstieg zwischen Telese Terme und VitulanoLandstraße bei Troia
Für meine Wegplanung habe ich mich im Wesentlichen an die Via Francigena Sud gehalten und die Route nach meinen Ideen adaptiert. Auch unterwegs habe ich noch Korrekturen an der Planung vorgenommen. Einige Male war der markierte Weg geändert worden, sodass ich mich per GPS orientierte.
Der Pilger auf der Via Francigena
Die Markierungen auf dem Weg sind sowohl in den Städten als auch außerhalb der Städte meist ausgezeichnet und eindeutig. Nur nach dem Verlassen der Provinz Latium beim Fluss Gargliano nahe Castelforte endet die Markierung abrupt, sodass man meint, auf einem falschen Weg gelandet zu sein. Das ist aber nicht so: da sind nur die Markierungsverantwortlichen nicht am Laufenden. Da war ich froh, über ein Offline – GPS-App (OsMand+) zu verfügen. Die Netzverfügbarkeit war auch im Hinterland überraschend gut.
Unterkunft und Verpflegung: Im Anhang gibt es auch eine Unterkunftsliste, die aber nur eine Anregung sein kann. Die Aktualität ist sehr unterschiedlich. Vor allem bei kirchlichen Unterkünften ändern sich die Telefonnummern (neuer Pfarrer – neue Nummer) ständig. Es gibt Möglichkeiten, in kirchlichen Einrichtungen und Sozialeinrichtungen unter einfachen Bedingungen zu übernachten. Stellenweise war es nicht einfach, ein geeignetes und kostengünstiges Quartier in entsprechender Entfernung zu finden. Es ist sehr empfehlenswert, am Abend vorher bei den Institutionen anzurufen und sich anzumelden, da größere Herbergen selten sind. Italienisch zu sprechen ist von Vorteil, manchmal sprechen und verstehen die Einheimischen aber einen extremen Dialekt.
Die Qualität der Quartiere ist nicht immer vom Preis abhängig. Herbergen laufen meist unter „donativo“ – frei Spende: je nach Angebot 15 – 20 Euro. Privatquartiere und Pensionen: 35 – 60 Euro.
Pilgerherberge in TriaPrivatquartier in San LorenzoKloster in TeanoPrivatquartier in einem mittelalterlichen Haus in SermonetaHotel Telese TermeAppartment auf der Stadtmauer von Terracina
Viele Quartiere bieten kein oder erst ein spätes Frühstück an. Meist ist das Frühstück so sparsam, dass es besser ist, gleich in die nächste Bäckerei auszuweichen und nach eigenem Bedarf zu bestellen. Die Möglichkeit zum Abendessen war immer gegeben. Ich empfehle auch in Privatquartieren nachzufragen, ob es am Abend im Ort eine Verpflegsmöglichkeit gibt. Notwendige Einkäufe waren fast immer möglich. Die Ladenöffnungszeiten sind sehr unterschiedlich. Unterwegs kann es auch längere Strecken ohne Infrastruktur geben!
Pinsa Romana PastaCalamari
Natur und Kultur: Die Via Francigena Sud führt auf dieser Strecke durch uraltes agrarisch genutzes Gebiet, das seit vielen Jahrhunderten nicht nur die ortsansässige Bevolkerung, sondern auch das antike Rom genährt hat. So ist es nicht verwunderlich, dass es wenig wirklich „unberührte“ Natur gibt. Nichtsdestotrotz gibt es schöne Wanderwege abseits des Verkehrs.
Apulien, die Kornkammer des alten RomsRosenkäfer auf DistelFlusslandschaft am GariglianoHochebene bei CoriTal des Miscano bei Casalbore
Die kulturellen Highlights auf der Route sind ohne Zahl, seien es die vielen Relikte aus der Römerzeit, seien es die alten Kirchen und Burgen aus dem Mittelalter oder die Paläste aus der Neuzeit. Fast jeder Ort kann mit einem mittelalterlichen Kern oder interessanten Gebäuden der Renaissance aufwarten.
Stadtmauer RomTrajansbogen in BeneventoReggia di Caserta – PrunktreppeSessa Aurunca – Cattedrale dei Santi Pietro e PaoloTorre Medievale di PietramelaraSessa Aurunca – Amphitheater
Unterwegs habe ich einige WeitwanderInnen getroffen, die mit mir in Rom gestartet sind, als auch aus dem Süden in Rirchtung Rom unterwegs waren. Alle waren schon sehr wandererfahren. Für Anfänger ist der Weg sicher nicht die erste Wahl.
Statistik: An den 25 Gehtagen habe ich mehr als 550 km zurückgelegt, für die „nackten Nettokilometer“ bleiben nach Abzug der Stadtbesichtigungen und diverser „Ehrenrunden“ 500 km übrig. Dabei fielen etwa 8800 Bergauf- und 8800 Bergab- Höhenmeter an. Die Tagesstrecken lagen zwischen 6,5 und 30,8 km, im Median 23,0 km.
Alle Angaben bezüglich der Quartiere und Distanzen sind ohne Gewähr. Es liegt in der Eigenverantwortung des Benutzers, sich von der Richtigkeit zu überzeugen.
Das ist wohl jetzt der vorletzte Blogbeitrag zur Via Francigena Sud. Der letzte wird die übliche Zusammenfassung in ein paar Tagen sein.
Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, mich bei meiner Bodenstation, meiner lieben Frau Heidrun, zu bedanken. Sie hat es mir ermöglicht, so lange von zu Hause weg zu sein, sie redigiert die täglich die Blogeinträge und hält interessante Informationen zur Strecke für mich bereit.
Die Nächtigung im Hotel war sehr angenehm. Das Frühstück ist zwar vom Buffet, aber halt italienisch. Ich habe genug Zeit, um zum Bahnhof zu kommen. Auch der Frecciarossa ETR 600 kommt pünktlich.
Bahnhof FoggiaFrecciarossa nach Venezia Santa Lucia
Vorerst ist es bedeckt, aber am Meer klart es zunehmend auf.
Strand bei Pescara
Die Strände sind für die Urlauber vorbereitet. Vereinzelt sind auch Badende im Wasser zu sehen.
Strand bei Pescara
Wir erreichen pünktlich Ancona und ich kann einen kurzen Blick auf den Monte Guasco werfen, wo sich das älteste Stadtviertel um den Dom befindet.
Ancona
Dann wird es zäh. Auf der Stecke gibt es ein technisches Problem, das unseren Zug im Tempo 30 oder langsamer fahren lässt. Immer wieder hält der Zug an und in Bologna haben wir knapp eine Stunde Verspätung. Auch danach nimmt der „Rote Pfeil“ nicht wirklich Fahrt auf. Wahrscheinlich ist kein Slot frei.
Ich bin schon gespannt, was sich in Venedig-Mestre ereignen wird, weil ich meinen (letzten) Anschlusszug nach Klagenfurt sicher nicht erreichen werde. Das Zugpersonal ist sehr kooperativ, kann die Situation aber auch nicht ändern.
Vor RovigoFrecciarossaFrecciarossa
Aus unerklärlichen Gründen hat der Anschlusszug nach Klagenfurt – Wien über eine Stunde Verspätung. Da ist einmal die Fahrt nach Bruck gesichert. Ich sitze jedenfalls im Railjet 130. Wie es weitergeht, wissen Gott und die ÖBB.
Railjet
Zwischenzeitlich haben wir viel Zeit gut gemacht, aber in Tarvisio-Boscoverde geht der Zeitgewinn wieder verloren. Jetzt fahre ich in Richtung Leoben oder Bruck weiter, je nachdem, welcher der Anschlusszüge früher in Graz ankommt.
Es ist Bruck geworden. Der Railjet aus Wien hat gewonnen. Der EC aus Frankfurt hat auch viel Verspätung und kommt noch später mit 1h 20 min Verspätung in Graz an.
Nun ist es sich gerade noch ausgegangen, dass ich vor Mitternacht müde, aber gesund, zu Hause angekommen bin.
Ich danke allen, die mich unterwegs mit Kommentaren unterstützt und mich virtuell auf meinem Weg begleiten haben. Ich hoffe, es hat euch gefallen.
Heute ist das Wetter wieder auf „schön“ eingestellt. Nach Osten hin sind ein paar Wolken zu sehen, sonst herrscht schon blauer Himmel vor. Das erste Café öffnet am Sonntag schon um 4.30 Uhr. Das ist mir doch zu früh. Ich bin dann kurz nach 7.00 Uhr auf dem Weg.
Castelluccio del Sauri
Nach einem Kilometer auf der Straße biege ich auf einen Güterweg ab. Ab jetzt habe ich für mehr als zwei Stunden den Weg für mich allein. Endlos wirkende Getreidefelder bedecken die Hügel.
Schattenpilger
Der Weg ist einmal besser, einmal schlechter. Selten sind Schatten spendende Bäume da.
WegWeg
Erst als ich zur SS655 komme, sehe ich wieder Autos. Dann ist es wieder ruhig. Die Hügel weichen jetzt einer Ebene.
Kreuzung mit der SS655Gerstenfeld
Eine Gruppe „Sonntagsradler“ kommt mir entgegen und begrüßen mich freudig.
Radfahrer
Ich finde am Wegrand wieder interessante Tiere. Eine Gelbstirnige Dolchwespe (Megascolia maculata) sucht auf einer Distelblüte Nahrung.
Gelbstirnige Dolchwespe (Megascolia maculata)
Diese Goldaugenspringspinne ist fast nicht zu übersehen.
Goldaugenspringspinne (Philaeus chrysops)
Beim Überqueren des Carabelle kommt mir ein Radfahrer entgegen. Wir versuchen ein paar Informationen auszutauschen. Der Bach rinnt in einem dichten Schilfgürtel dahin.
Brücke über den Carabello.
Jetzt sind es nur mehr ein paar Meter nach Ordona, das in der Römerzeit als Herdonia berühmt war.
Herdonia
Heute hat der Ort wenig Bedeutung. Ich mache einen kleinen Stadtrundgang und will eigentlich das Archäologische Museum besuchen. Das ist heute leider geschlossen. Das riesige Grabungsfeld ist nicht gut zugänglich. Im 3. Jhdt. v. Chr. gab es schon eine starke Befestigungsmauer.
Archäologisches Museum Herdonia
Im späten 3. Jhdt. v. Chr. errang Hannibal in der Nähe mehrmals (212 und 210 v. Chr.) Siege über die Römer, brannte die Stadt nieder und deportierte 210 v. Chr. ihre Bewohner. In der Kaiserzeit war Herdonia eine wichtige Station an einer Kreuzung der Via Traiana. Seit der augusteischen Zeit wurde die Stadt monumental ausgebaut. Die Blütezeit Herdonias endete im 3. Jhdt. bereits wieder. Im 5. Jhdt. wurde es Bischofsitz.
Blick auf das archäologische GeländeBlick auf das archäologische GeländeOrdonaOrdonaOrdonaOrdona
Im einzigen offenen Café treffe ich Luigi aus Trento. Er ist im Aostatal gestartet und will auch nach Santa Maria Leuca. Für die Strecke von Rom nach Ordona ist er nur 12 Tage unterwegs gewesen.
Luigi und Gerhard
Am Bahnhof in Ordona endet dieser Abschnitt meiner Pilgerreise auf der Via Francigena Sud. Jetzt nehme ich den Zug nach Foggia, nur 20 Minuten Bahnfahrt entfernt.
Bahnhof OrdonaRegionalzugRegionalzug
In Foggia komme ich am Hauptbahnhof an und brauche nicht lange in mein Hotel „Demsi Palace Hotel and Spa ****“. Die nette Dame an der Rezeption meint, dass ich das Zimmer zu einem absolut günstigen Preis bekommen habe (45 € mit Frühstück statt 80 – 90). Dabei war von Pilgerdiscount gar keine Rede. Für mich ist die Bahnhofsnähe wichtig.
Demsi Palace HotelDemsi Palace HotelDemsi Palace Hotel
Dann versuche ich im Kurzprogramm einige Impressionen von der Stadt zu bekommen. Erster Eindruck: Hier wird die Siesta eingehalten. Alle Geschäfte, Cafés und Kirchen sind geschlossen. Kaum wer ist auf der Straße.
SiestaCorso Vittorio Emanuele II.Torre del MunicipioPalazzo del Governo
Mitten in der Innenstadt liegen die Quartieri Settecenteschi. Hier fühlt man sich in die Vergangenheit zurückversetzt.
Am frühen Abend beginnen sich die Straßen zu füllen.
Auch die Cattedrale di Foggia, Cattedrale della Santa Maria Assunta in Coelo ist jetzt geöffnet. Nachdem der Bau von 1170 durch ein Erdbeben 1731 zerstört wurde, wurde die Kirche im Barockstil neu errichtet. Viele Gebäude, die das Erdbeben 1731 überstanden, wurden 1943 Opfer alliierter Bombenangriffe.
Die letzte Nacht habe ich in einem richtigen Pilgerquartier übernachtet. Im ehemaligen Dominikanerkloster sind dafür Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt worden. Es befinden sich da auch noch ein Volkskundemuseum und ein Veranstaltungszentrum. Am Abend gehen wir Pilger gemeinsam zum Abendessen.
Im Volkskundemuseum
Dafür stehen die italienischen Freunde aus Bergamo schon um fünf Uhr auf. Sie sind es vom Berggehen so gewohnt. Ich bin eine Stunde später immer noch früh genug dran, gönne mir ein Frühstück in einer nahen Bäckerei und starte dann. Kurz sehe ich noch die Sonne, dann versteckt sie sich hinter dicken Regenwolken.
Ehemalige Stadtmauer
Die Mandeln hängen fast in Trauben am Baum.
Mandelbaum
Die Regenfront zieht von Westen her. Zum Glück bleibt es bei leichtem Nieselregen für ein paar Minuten.
Apulien war schon in der Antike die Kornkammer der Römer. Wie groß wohl deren Felder damals waren?
Getreidefeld
Fast hätte ich die Abzweigung übersehen. Hätte ich nicht den Regenschutz aus dem Rucksack holen müssen, wäre ich sicher eine Zeit lang in die falsche Richtung gewandert.
Feldweg
Große Flächen sind mit dieser Pflanze bebaut. Ist es wirklich Koriander, wie es mir PlantNet erzählt? Den seifigen Geruch hätte es.
Koriander?
Ich möchte endlich eine lebende Schlange sehen. Alle reden davon, ich finde nur tote Tiere. Die lassen sich allerdings auch leichter untersuchen. Dieses Exemplar ist ca. 120 cm lang. Ich vermute, dass es sich um ein dunkles Exemplar (Melanismus) der Gelbgrünen Zornnatter (Hierophis viridiflavus Lacépède) handelt.
Die Windräder haben heute Pause. Die Windparks heißen hier Oekoparks.
Wind- und Sonnenenergie
Der Torrente Sannoro hat sich tief in die Landschaft gegraben. Das zeugt von seiner Kraft und Wassermenge bei Hochwasser.
Torrente Sannoro
Auch auf dem Land gibt es oft verlassene und verfallene Häuser, die früher landwirtschaftlich genutzt wurden und jetzt nutzlos sind.
Ruine
Die Straße ist endlos gerade. Statt Getreide werden hier auch Freilandtomaten angepflanzt, je nach Pflanzdatum unterschiedlich hoch.
StraßeTomatenfeldKönigskerzen
Der Frecciarossa, der Rote Pfeil, gleitet eher gemütlich durch die Gegend.
Frecciarossa
Leider nehmen es viele Italiener mit dem Umweltschutz nicht sehr genau und entsorgen ihren Abfall in der freien Natur.
Torrente Cervaro
Jetzt steht wieder ein ordentlicher Anstieg an. Der Zielort Castelluccio dei Sauri liegt 120 m höher.
Anstieg nach Castelluccio dei Sauri
Der Ort ist mehreren Straßenzeilen an den Berghang angepasst. Es gibt ein paar Häuser aus der Zeit um 1700.
Castelluccio dei Sauri
Das Municipio steht genau am Ende des Hügels.
Municipio
Aus einem römischen Oppidum hat sich im Mittelalter ein kleiner Ort erhalten, der sich aber zu Anfang des 15. Jhdts. entvölkerte. Dagegen wurden1446 60 Familen aus Albanien hier angesiedelt, die den griechisch-orthodoxen Ritus mitbrachten. Bis zur Regentschaft von Joseph Bonaparte zu Beginn des 19. Jhdts. war die Gemeinde feudalistisch ein Lehen. 1980 wurde der Ort von einem Erdbeben stark in Mitleidenschaft gezogen, deshalb auch die vielen neueren Häuser.
Palazzo Wasserturm
Das Schönste am Ort ist die Aussicht.
Aussicht
Heute ist unsere Pilgergruppe auf vier Personen geschrumpft. Wir haben wieder ein Pfarrzentrum in Beschlag genommen. Sonst hätte es ohnehin wenige Alternativen gegeben.
Den gestrigen Tag spüre ich doch ein bisschen und bin über das spätere Frühstück (8 Uhr) froh. Ich habe gestern Jean-Marie aus Frankreich wieder getroffen. Er hat sich auf der Alternativroute durchgekämpft. In der Früh ist es noch etwas dunstig, das Wetter sollte laut Vorschau günstig bleiben.
Haus in Celle di San Vito
Ein guter Tag fängt mit einem Berg an. Es geht einmal wieder auf 900 m. Mich wundert, wie leicht das geht.
Aufstieg zum Monte BuccoloAuf 900 m
Die Aussicht ist phänomenal. Man unterschätzt dabei die Entfernungen.
Aussicht vom Monte Buccolo
Auch die kleinen Dinge machen Freude.
Großer Kohlweißling (Pieris brassicae L.)Goldglänzender Rosenkäfer (Cetonia aurata L.)
Die kleine, aber alte Stadt Troia rückt näher. Sie hat nichts mit der von Schliemann in Kleinasien ausgegrabenen Stadt gemeinsam.
Troia
Die Stadt liegt auf einem Hügelsporn und ist vor allem langgestreckt. Durch die Mitte zieht sich die Via Roma mit vielen Kirchen und Palästen aus mehreren Jahrhunderten.
Troia wurde auf den Ruinen des antiken Aecae um 1022 gegründet und erlangte als Bischofsstadt Bedeutung. Im Jahre 1229 wurde es von Kaiser Friedrich II. zerstört.
Berühmt ist die 1129 geweihte romanische Kathedrale S. Maria Assunta mit den mächtigen Bronzetoren von 1119, deren Bau 1093 begonnen wurde. Sie ist der älteste und besterhaltene Bau seines Stils in Apulien.
Kathedrale S. Maria AssuntaKirchenschiff mit TriumphkreuzFensterroseKanzelTaufstein Bronzetür am HauptportalBronzetür SüdportalBronzetür Südportal – mein NamenspatronPortalrosette von außen
Es war schon vorherzusehen: Das wird die „Königsetappe“ auf der Strecke. Und so ist es auch.
Ich bin wieder recht früh munter geworden, habe meine Sachen zusammengepackt und habe mir ein Café für das Frühstück gesucht. So bin ich tatsächlich um 7 Uhr losgewandert.
Blick in das Tal des MiscanoBahnstation von Casalbore und Brücke
Plötzlich zeigt der Wegweiser für die Francigena nach links. Auch der GPS – Pfad weist nach links. Da ist aber nichts als eine besetzte Kuhweide und viel Dreck. Daneben sind noch ein Dickicht aus Sträuchern oder ein Acker im Angebot. Ich wähle vorerst den Acker. Irgendwann endet die Kuhweide und es gibt brusthohes Grad mit Spuren, dass da jemand gegangen sein kann. Ich tippe auf René, einen Holländer, dem ich vorgestern begegnet bin. Also kämpfe ich mich weiter ins Tal vor.
GrasGrasEisenbahnbrücke
Zum Glück gab es in der letzten Zeit hier weniger Niederschläge, sonst hätte ich hier umkehren müssen. Über ein paar große Steine komme ich gleich ans andere Ufer.
Flussufer Torrente Ginestra
Die Römer hatten dafür an der Via Traiana eine große Brücke, die Ponte Santo Spirito, errichtet, von der noch ein Pylon steht.
BrückePylon
Auf der anderen Seite geht es ähnlich wieder den Hang hinauf. Zum Glück gibt es da ein abgeerntetes Getreidefeld, das mir als Weg dient. Oben gibt es die schönste Aussicht.
HügelWeite FelderWeite Felder
Noch einmal, ein Tal weiter gibt es das gleiche Szenario. Diesmal ist der Abstieg recht gut begehbar, die Bachüberquerung wieder einfach, nur der Aufstieg hat es wieder in sich.
Überquerung des MiscanoGras am Uferaufstieg
Jetzt gehe ich nach den Spuren des Traktors in einem Gerstenfeld. Es wird hier Weizen, Gerste, Hafer und Grünfutter angebaut.
Jeder Hügel ist mit Windrädern besetzt. Das hat jetzt für mich den Vorteil, dass die Straßen, die zum Bau notwendig waren, jetzt als Pilgerautobahn zur Verfügung stehen.
WindradVerbindungsweg
An der Straße komme ich zu einer Informationstafel, die die Bedeutung des Ortes „Aequum Tuticum“ beschreibt. Hier auf dieser Hochfläche auf 570 m war einst einer der bedeutendsten Verkehrsknotenpunkte des römischen Reiches. Hier kamen die Via Aemilia (in Süd-Nord-Richtung) und die Via Minucia (mit West-Ost- oder Südwest-Nordost-Richtung) zusammen. Die Via Aemilia ist durch zwei Meilensteine aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. gut gekennzeichnet.
Aequum Tuticum
In der Nähe befindet sich der Weiler „Tre Fontane“. Hier trafen im Mittelalter die Römerstraßen, die Via Francigena und mehrere Schaftranshumanz-Wege aufeinander. Für die Schafe mussten Abgaben bezahlt werden. In der Umgebung lebt noch eine albanische Minderheit, die mit der Ausdehnung des Osmanischen Reiches im 14. Jhdt. ins heutige Italien flüchteten. Die Nachfahren sprechen heute noch einen veralteten albanischen Dialekt aus der Zeit, der im heutigen Albanien nicht verstanden wird.
Tre FontaneTre Fontane
Es geht immer höher den Berg hinauf, bis ich an der Villaggio San Leonardo vorbei komme.
Diese Siedlung wurde nach einem Erdbeben 1980 für die Unterbringung der Opfer gegründet. Heute ist hier eine Ferienwohnanlage.
Villaggio St. Leonardo
Kurz vor dem Sattel komme ich zum Santuario San Vito, das mit einem Hof verbunden ist.
Santuario San Vito
Der höchste Punkt meiner Wanderung ist erreicht. 995 m stehen zu Buche. Ich unternehme noch einen Abstecher ins Gemüse und der 1000er ist voll.
1000m
Vom Sattel habe ich eine gute Aussicht auf die Ebene von Bari.
Ebene von Bari
Nun erfolgt der Abstieg in den heutigen Zielort Celle di San Vito.
Der Ort ist sehr klein, dafür umso beschaulicher und netter.
Celle di San VitoCelle di San VitoCelle di San VitoCelle di San Vito
Auch hier gibt es eine sprachliche Besonderheit, eine frankoprovenzalische Sprachinsel. Noch heute wird der Dialekt hier gesprochen. Auch alle Straßentafeln sind zweisprachig ausgeführt.
Ich schlafe heute in der Pension „Fontanelle“, die zum gleichnamigen Restaurant gehört.
Benevento (= guter Wind) wird am Abend seinem Namen gerecht. Es pfeift und bläst aus allen Ecken. In der Früh ist es dann wieder ruhig. Der Sonnenaufgang lässt die Landschaft aufglühen.
Benevento – Fiume Calore
Auf dem Weg aus der Stadt komme ich nochmals am Trajanbogen vorbei.
Trajanbogen
Ein modernes Pfarrzentrum am Rande der Stadt. Ob es mehr Besucher hat als die Kirchen in der Stadt?
Pfarrzentrum San Genaro
Eigentlich hätte der Weg direkt an diesem Gebäudekomplex vorbeiführen sollen. Als ich die Aufschrift an der Uniform des Wachebeamten gesehen habe, verstehe ich, dass ich einen Umweg machen soll: Es ist eine Strafanstalt.
Strafanstalt
Auch eine Mülldeponie ist bewacht wie eine Kaserne.
Mülldeponie
Eine Quelle entspringt neben dem Weg und benützt diesen gleich als Bachbett. Leider gibt es keine Ausweichmöglichkeit. So muss ich schauen, wie ich möglichst trocken bleibe.
Weg
Der alte Weg geht noch über diese Brücke aus der Römerzeit. Kaiser Flavius Valens soll den Bau dieser Brücke im 4. Jhdt. angeordnet haben. Von der originalen Steinbrücke stehen nur mehr zwei Steher, die Gewölbe sind aus dem Mittelalter.
Ponte Valentino
Der Weg führt heute hügelauf – hügelab, wobei die Steigungen manchmal sehr extrem sind.
Ausblick auf die Hügellandschaft GetreidefeldEin „besonderer“ KaktusArtischocken Panorama
Da war der Strom wohl zu schwer
Schiefe Strommasten
Wiesenwege sind nicht immer die schönsten Wege, vor allem, wenn das Gras so hoch und dicht ist, dass man den Boden nicht mehr sieht. Aber es gibt schlimmeres.
Wiesenweg
Die Via Traiana hat natürlich ordentliche Brücken gehabt, nicht solche Übergänge wie ich sie jetzt erlebe.
Reste der Ponte LadroneBachübergang
Unterwegs komme ich an einer kleinen Keramikmanufaktur vorbei. Zum Trocknen kommen die Waren einfach ins Freie.
Keramikmanufaktur
Buonalbergo rückt näher. Die Stadt liegt am Berghang.
Buonalbergo
Die Stadt ist für Wanderer über steile Treppen erreichbar. Das historische Zentrum ist hervorragend renoviert. Es gibt keine „blinden Flecken“ zwischendurch.
BuonalbergoBuonalbergo
Leider ist hier am Mittwoch Ruhetag. Keine Bar, kein Café, kein Restaurant. Zum Glück hat ein Minimarkt noch offen. Da kaufe ich mir ein bisschen Obst und Wasser.
Buonalbergo Hauptplatz
Beim Weitergehen schaue ich durch ein Gartentor und sehe eine Gartenanlage, die sich über den halben Hang erstreckt.
Gartenanlage
Nicht weit davon komme ich an der Fontana del Lombardo vorbei und decke mich mit frischem, richtig kaltem Wasser ein. Gleich danach geht es wieder den Hang hinauf.
Fontana del LombardoAnstieg
Jetzt sind es nur noch zwei Kilometer bis zum Zielort. Die Aussicht auf die Hügel ist grandios. Überall gibt es auf den Hügelkämmen Dörfer und Städtchen.
Aussicht nach Südosten
Ich gehe noch bis Casalbore, wo der Torre Normanna aus dem 12. Jhdt. mit einem Castello die Hauptattraktion darstellt. Auch ein schönes Dorfzentrum gibt es hier.
Torre NormannaHistorisches Zentrum PfarrkircheEin Maserati als Leichenwagen
Ich nächtige heute im Convento St. Antonio. Hier gibt es im Pfarrzentrum für Pilger eine Nächtigungsmöglichkeit.
Für heute ist zeitweise Regen angesagt. Das Wetterradar sagt nein, die Realität sagt ja. Beim spärlichen Frühstück beginnt es leicht zu tröpfeln, gerade so viel, dass die Straße nass ist. Mit dem Regencape am Rücken gehe ich los. Nach zwei Kilometern brauche ich es gerade für zehn Minuten.
Mit Ausnahme von zwei kleinen Steigungen geht es fast immer bergab bis zum Fiume Calore, den ich schon gestern einmal überquert habe.
Fiume Calore
Dann führt mich der Weg bequem auf einer ehemaligen Bahntrasse („Alifane“) in Richtung Benevento.
Radweg
Sogar durch einen Tunnel muss ich hindurch.
Tunnel
Die verbliebenen Signalanlagen erinnern an frühere Tage.
Signalanlagen
Unterwegs werde ich eingeladen, mich mit einem Radfahrer für ein Fotoshooting aufzustellen. Der Radfahrer fährt den VFS und hat einen eigenen Profifotografen dabei.
Am Bahnhof vorbei überquere ich den Fiume Sabato, der die Altstadt von Benevento umspült und Sicherheit brachte.
Ponte Leproso
In der Stadt stehen unzählige Palazzi, die meist ein gemeinsames Schicksal haben: sie mussten wie der Dom nach einem Bombardement der US-Truppen 1943 neu errichtet werden.
Palazzo
Auch der Dom wurde zerstört, nur der Turm und die Eingangstür blieben erhalten.
DomAlte DomfassadeEingangsportal
Der Neubau ist unter Einbeziehung einzelner erhaltenen Elemente sehr schlicht gehalten.
DomDom
Zwei große Triumphbögen sind erhalten geblieben. Während der Arco del Sacramente schmucklos ist, zeigt sich der Arco di Traiano in seiner vollen Pracht.
Arco del SacramenteArco di TraianoArco di TraianoArco di Traiano
Kaiser Trajan hat für diese Region viel getan, unter anderem hat er die Via Appia nach Bari und Brindisi verlängern lassen.
Kaiser Trajan
Nicht nur die Römer haben sich mit bedeutender Architektur verewigt, auch die Langobarden hinterließen ihre Spuren.
Die Chiesa di Santa Sofia entstand zwischen 758 und 768 und hat in interessantes architektonisches Konzept.
Chiesa di Santa SofiaChiesa di Santa SofiaChiesa di Santa Sofia
Dann erlebe ich noch eine Prozession anlässlich der Festwoche der Hl. Rita von Cascia, die morgen ihren Todestag hat. Mit Musikbegleitung wird sie aus ihrer Kirche in eine andere transferiert.
FestgottesdienstSta. Rita
Ich mache noch ein Foto mit dem Chef der Polizia Municipale, der eine besonders prunkvolle Uniform trägt.
Polizia Municipale
Heute sind zur regulären Wanderstrecke wieder viele Besichtigungskilometer dazugekommen.
Heute Nacht haben auch drei andere Pilger in meinem Hotel geschlafen. Wir gehen fast gleichzeitig aus dem Haus, nur ich finde den Anschlussweg schneller.
Bald komme ich an den Lago Telese, der beim Erdbeben 1349 entstanden ist und zwischen 20 und 30 m tief sein soll.
Lago Telese
Die Brücke über den Fiume Calore schaut nicht gerade vertrauenserweckend aus, ich bin jetzt aber schon anderes gewöhnt.
Brücke Fiume Calore
Durch die Weinberge, auf denen die besten Weine Italiens gedeihen sollen, geht es nach Solopaca. Der weiße und rote Solopaca DOC, sowie der Aglianico und der Falanghina sind angeblich weltbekannt.
Weingarten mit Hochkultur
Noch einmal habe ich einen guten Rückblick auf Telese Terme und das Caloretal.
Telese Terme mit dem Monte Pugliano
Solopaco ist ein kleines Städtchen, das wie die meisten Orte hier auf eine reiche Geschichte zurückblicken kann. Nach dem vorher erwähnten Erdbeben hat sich die Lebensqualität in Telese durch den Schwefelgestank und andere Erscheinungen so verschlechtert, dass sich die Bewohner in Solopaca ansiedelten.
SolopacaSolopaca
Noch in Solopaca beginnt der Aufstieg entlang des Monte Alta Rotondi, der immerhin 1305 m hoch ist.
Aufstieg in die BergeAufstieg in die BergeAufstieg in die BergeAufstieg in die BergeAufstieg in die Berge
Am Rande des Abgrundes zum Tal stehen die Reste der Abbazia di Santa Maria in Gruptis, die 940 von den Langobarden gegründet und 1705 geschlossen wurde.
Abbazia di Santa Maria in Gruptis
Auf der Sattelhöhe bin ich auf ca. 790 m Seehöhe.
SattelBlick auf VitulanoAbstieg auf der „Fitnessmeile“Vitulani – Chiesa della Santissima TrinitàVitulani – Chiesa della Santissima Trinità
Vor der Kirche Chiesa della Santissima Trinità steht ein schwerer, eiserner Karren. Er erinnert daran, dass hier Marmor abgebaut wurde (wird?), der wegen seiner roten Äderung im Petersdom und im Kreml Verwendung fand.
Transportwagen für Marmor
Am Nachmittag besuche ich noch die Basilica SS.ma Annunziata e S. Antonio, die etwas außerhalb des Ortes unten im Tal liegt (+4 km und +200 Höhenmeter).
Basilica SS.ma Annunziata e S. AntonioBasilica SS.ma Annunziata e S. Antonio
Auch zum Abendessen müssen wir etwa 1 km pro Strecke zurücklegen. Jetzt sind wir zu sechst.
Abendessen
Im Dorf findet am Abend ein Fest zu Ehren des Dorfpatrons, des Hl. Menna, statt.
FestbeleuchtungIch
Am Ortsausgang steht die Fontana Reale, eine tolle Brunnenanlage.
Fontana RealeFontana Reale
Am Abend sind zahlreiche, prächtige Portale beleuchtet.