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10. Tag Donnerstag, 11.Mai 2017 Clonas-sur-Varèze nach Saint-Julien-Molin-Molette

Die Unterkunft war günstig und sicher besser als eine ungeheizte Herberge. Obwohl ich keine anderen Pilger wahrnehme,  gibt es wenig freie Unterkünfte, auch wenn man den Preis nicht als erstes Kriterium nimmt.

In der Nacht hat es kaum geregnet, der Wetterbericht gibt ab 14 Uhr hohe Wahrscheinlichkeit von Regen an. Ich versuche in diesem Zeitrahmen möglichst weit zu kommen. Der Wind ist nach wie vor stark, aber vielleicht ist das so wie bei der Donau in Melk.

Auffallend sind die beiden Kernkraftwerke  bei St. Alban. Die Druckwasserreaktoren älterer Bauart sind schon öfters wegen Zwischenfällen ins Gerede gekommen.

Unübersehbar, dass ich wieder in eine Weingegend komme.

Die Rhône ist seit dem letzten Zusammentreffen gewaltig gewachsen. Auf der Rhône verläuft auch die Grenze zwischen den Departements Isère und Loire.

Der Ort Cavanay liegt etwas über dem Rhônetal.

Ein altes, fast herrschaftliches Schulhaus.

In der Kirche gibt es das Zunftzeichen der Schiffer und natürlich auch Jakobus.

Es beginnt leicht zu tröpfeln, Regenzeug raus und zum Abschied noch ein schöner Blumengruß.

Gleich nach dem Ort beginnen die ersten Anstiege. Ich glaube, dass die Leute, die die Jakobswege festlegen, die Route so wählen, dass der durchschnittliche Pilger spätestens in Le Puy-en-Velay seine Sünden abgebüßt hat. Ab dort ist er dann im Plus. Schwerenöter brauchen dann bis Santiago, um in die schwarzen Zahlen zu kommen, für manche Politiker und „Spezialisten“ reicht auch Finistère nicht aus. Die sollten von dort aus weiter westwärts gehen.

Von oben habe ich einen großartigen Ausblick bis zu den Alpen.

Hoch über dem Tal liegen viele kleine Weiler. Hier wird Wein-und Obstbau betrieben.

An einem Bach steht diese alte Industrieruine.

Ich muss entlang eines Grabens wandern, der fast urwaldähnlichen Charakter hat.

Weinbau und Rosen gehören auch hier zusammen.

Knapp vor der höchsten Stelle des heutigen Weges steht der Kilometerstein da. Ich glaube nicht an die Angaben, aber man wollte das Monument an prominenter Stelle präsentieren.

Ich kehre noch in der Gîte d’etape Sainte Blandine ein, die von vielen Franzosen belegt ist, und werde auf ein Gläschen Bier eingeladen.

Dann beeile ich mich, denn leichtes Nieseln ist immer wieder zu spüren. Zum Glück zu wenig für das Regenzeug.

Ein kurzer Blick zurück auf das Gipfelkreuz und dann geht’s ins Tal nur 100 m tiefer.

Ich komme nach Saint-Julien-Molin-Molette, ein größerer Ort, der früher gut von der Textilindustrie gelebt hat.

Ich habe nur auf dem Campingplatz ein Quartier bekommem und beziehe hier einen geräumigen, gut beheizten Wohnwagen. Ich bringe gerade noch die Wäsche zum Waschen, als der angesagte Regen hereinbricht.

Dann schüttet es zwei Stunden lang und Punkt 17 Uhr macht Petrus vorerst Schluss. Ich genieße das Prasseln auf dem Dach und falle bald in einen tiefen Schlaf.

Dann mache ich mich auf den Weg nach einem Abendessen. Der Ort ist wie ausgestorben.

Ich finde eine Pizzeria, die gerade geöffnet hat. Hier findet am Abend Boef Music, eine Art Jam Session, statt.

Tagesstrecke: 27 km

9. Tag Mittwoch, 10.Mai 2017 Revel-Tourdan nach Clonas-sur-Varèze 

Gestern habe ich die 200 km – Grenze meiner Wanderung überschritten und es fast übersehen. Wie anders war meine Aufregung, als ich auf dem Camino Frances bei Nájera das zum ersten Mal erleben konnte. Es ist aber auch schön, sich daran zurückerinnern zu dürfen. Ich sehe den Markierungspfahl heute noch vor mir.

Heute hat mich strahlendes Wetter aufgeweckt. Die Fernsicht war nicht besonders, dafür hat das Wetter gehalten. Nach einem guten Frühstück bin ich schon um 8.15 aus dem Haus. Meine Quartiergeber machen zur Erinnerung mit jedem Gast ein Abschiedsfoto in der Hoffnung auf ein Wiedersehen.

Die Straßen um das Haus sind eine einzige Baustelle. Heuer Wasser, nächstes Jahr Strom und übernächstes Jahr ein neuer Straßenbelag. Kommt das bekannt vor?

Gleich nach dem Dorf geht’s bergauf und lange dem Hügel entlang. Von diesem Weiher fliegen zwei Reiher auf – die Frösche können beruhigt weiter quaken.

Wieder lacht mich eine Orchidee an.

Die ersten Kirschen werden rot, wer kann da schon vorbeigehen.

In Moissieu-sur-Dolon weiche ich vom Jakobsweg ab, um im Ort nach einem „Gschäfterl“ zu suchen. Es gibt eine verschlossene Kirche und einen tollen Ausblick. Wäre es etwas klarer, könnte man die schneebedeckten Gipfel der Alpen bei Grenoble sehen.

Hier führt die TGV – Linie Paris – Marseille vorbei. Leider verpasse ich einen durchfahrenden Zug nur knapp.

Manchmal helfen ein paar Steine beim Überqueren eines Bächleins.

Hoch auf einem Hügel liegt die Chapelle-de-Surieu mit einem kleinen Friedhof rundum.

Ein Schmetterling hat sich zu einem kurzen Posing eingefunden.

Da bin ich nicht ganz richtig ausgestattet.

Eichen- und Kastanienbäume bilden nette Alleen.

Die Robinien verströmen schon ihren süßen Duft.

Beim Carmel Notre-Dame-de-Surieu mache ich eine kurze Rast in der romanischen Kirche.

In einem Obstgarten versuchen die Obstbauern mit unterschiedlichen Mitteln gegen den drohenden Frost vorzugehen.

Die Nektarinen haben schon Farbe.


Ich überquere die A7, auf der viel Verkehr ist.

Kurz vor dem Ziel wird der Wind immer heftiger, sodass ich die Stöcke in der Ebene zum Schieben einsetzen muss.

Die Gemeindeverwaltung in Clonas-sur-Varèze ist in einem typischen Steinhaus untergebracht.

Schön in römischer Zeit hat man diesen Standort genossen. Ein reicher Römer hat sich seine ansehnliche Villa hierher gestellt. Im Museum ist ein riesiges Mosaik zu bestaunen.

Tagesstrecke: 32 km

8. Tag Dienstag, 9. Mai 2017, Côte-Saint-Andrè  nach Revel-Tourdan 

Nachdem ich gestern wieder eine längere Strecke als beabsichtigt hinter mich gebracht habe, gibt es heute eine kürzere zum Ausgleich. Der Nachteil beim Pilgern ist, dass man auf freie (!) Quartiere möglichst nahe der Route angewiesen ist. Mit dem PKW oder auch mit dem Fahrrad sind fünf Kilometer kein Problem, beim Wandern mehr als eine Stunde Gehzeit zusätzlich. Bekommt man im gewünschten Bereich, bei mir zwischen 23 und 27 km, nichts, dann ist man sehr früh am Ziel und steht vor noch  verschlossenen Toren oder man kommt einer Überlastung nahe.

Meine Erfahrung: ob 20 km oder 36, die letzten drei Kilometer sind die längsten!

Heute habe ich einen leichten Tag vor mir. Ich lasse mir Zeit und mache für acht Uhr das Frühstück aus. Ich bin da, der Padrón nicht. Mit zwanzigminutiger Verspätung kommt er dann und entschuldigt sich vielmals. Ich bekomme rasch mein Frühstück und beim Preis lässt er noch was nach.

In La Côte Saint André lebte und wirkte der holländische Maler Johan Barthold Jongkind, der als einer der Begründer des Impressionismus gilt.

Was ist wohl hinter diese Mauer, die am Ende noch ein Tor hat?

Eigentlich nur ein großes Feld!

Im nächsten Ort Balbin – Ornacieux fällt mir die große, alte Dorfschule auf, die tatsächlich noch ihrem ursprünglichen Verwendungszweck dient.

Der Ausblick über das Tal des l’Oron ist durch die dichten Wolken beeinträchtigt.

An diesem Rosenstock konnte ich einfach nicht vorbeigehen, ohne zu fotografieren.

Das ist des Pilgers liebster Begleiter: Ein zarter Schatten, ohne scharfe Konturen, mal hinten, mal vorne oder an der Seite.

Nahe einer ehemaligen Mühle fällt mir dieser Entspannungsplatz auf. Nur zu rasch aufwachen sollte man nicht!

Wieder haben die Markierer des Jakobswegs eine Extraschleife gelegt. Ich getraue mich nicht, eine Abkürzung zu nehmen, und habe gut daran getan.

Ich glaube,  hier wächst „Steinmais“. Auf anderen Feldern ist die Bodenbeschaffenheit noch schlimmer.

In Faramans finde ich einen Markt mit genau einem Obststand und einem Käsestand.

Die Auswahl ist grandios und grausam zugleich. Am liebsten würde ich den halben Stand kaufen, doch die Vernunft rät mir zu einem reifen Käse von der Ziege (ganz links) . Eine halbe Stunde später auf dem Kirchplatz von Pommier-de-Beaurepaire wird er bereits seiner Bestimmung zugeführt.

Kastanienbäume haben eine Lebenskraft, die beeindruckend ist. Irgendeine Stelle treibt immer aus.

Früher als erwartet bin ich an meinem Ziel in Revel-Tourdan, einem Ort mit viel alter Bausubstanz.

Im Gelände der alten Burg aus dem 13. Jhdt. treffe ich einen Franzosen, der mit zwei Hunden und einem Schiebewagen am Jakobsweg unterwegs ist.

Auffällig sind immer die Waschanlagen für die Gemeinschaft, die hier besonders gut renoviert sind. Wenn die neue Wasserleitung fertig ist, fließt hier wieder Wasser.

In der renovierten Kirche sorgen neue Buntglasfenster für angenehme Beleuchtung.

Schließlich komme ich bei meiner Unterkunft an und bewundere gleich den Eingang und den Ausblick aus dem obersten Geschoß.

Das Gebäude stammt aus der Zeit um 1669.

Und noch eine Bemerkung: Heute war der erste Tag ohne einen Tropfen Regen!

Tagesstrecke: 22,6 km

7. Tag Montag, 8. Mai 2017 Valencogne nach Le Côte-Saint-Andrè 

In der Nacht fällt immer wieder Regen. Die Hausfrau holt mich zum Frühstück in ihr Haus wo mich ein umfangreiches Frühstück erwartet. Sie macht das Zimmervermieten an Pilger auf Spendenbasis. Da ich jetzt schon einige Unterkünfte hinter mir habe, weiß ich, wie ihre Leistung einzustufen ist. Für die nächste Nacht hat sich eine Deutsche angesagt.

Nach dem Frühstück gibt es noch einen eigenen Pilgerstempel und die Hausfrau begleitet mich zum Gartentor, um mich zu verabschieden.

Im Moment des Aufbruchs nieselt es leicht. Die Landschaft ist gespenstisch in  Nebel getaucht.

Bei manch altem Baum könnte man schon Geister vorbeihuschen sehen.

Auf einer Anhöhe blüht noch viel Ginster. Kurze Zeit später übersehe ich eine Abkürzung, was mir einen kleinen Umweg einbringt. Dank  GPS ist der Irrtum bald erkannt.

Jetzt gehe ich durch recht junge Edelkastanienwälder. Alte Bäume fehlen völlig. Da sie erst im Austreiben sind, wirkt der Wald nicht sehr dicht.

Durch die nächtlichen Regenfälle sind die Wege oft lehmig und rutschig.

Ich bin hier vorerst völlig allein. Nur die Vögel singen aus allen Ecken und Enden und ein Hase nimmt Reißaus, als ich ihm in die Quere komme.

Nach etwa eineinviertel Stunden überholen mich drei Mountainbiker, das erste Auto kommt mir erst im nächsten größeren Ort unter.

In der Nacht noch ein Flusslauf, am Vormittag schon Pfad für Pilger und Biker.

Der erste größere Ort ist Le Pine. Zuvor habe ich einen zweiten „Abkürzer“ ausbessern müssen. Die Route des Jakobswegs ist in den Bereich des Lac Balatru verlegt worden. Ich möchte mir aber die Steckenverlängerung ersparen und gehe den „verbotenen“ Weg, der kurz nach der Abzweigung noch markiert ist.

In Le Pine weht ein kalter Wind, ich hole mir gleich eine andere Jacke aus dem Rucksack. In der Kirche finde ich keinen Stempel. Ersatz gibt es im kleinen Laden, der auch heute am Feiertag geöffnet hat. Am 8. Mai wird an das Ende des 2. Weltkrieges mit einem nationalen Feiertag gedacht.

Eine Gruppe Reiter macht sich gerade auf den Weg.

Mitten durch die Gegend….

In einem Hochtal findet eine Rinderherde ausreichend Futter.

Ante portas Romae? 🙂

In Le Grand-Lemps mache ich Mittagspause. Das „Heldendenkmal“ auf dem Friedhof spricht für sich.

Die Straßen und die Markthalle sind leer. Ich finde gerade noch ein offenes Cafe, wo ich ein Bier trinke und meine mitgebrachte Banane esse.

Diese hübsche Fassade hätte ich fast übersehen.

In La Frette ist die Kirche (wie fast überall) geschlossen. Zwei Überraschungen am Wegrand gibt es trotzdem.

Ab Kilometer 30 wird es eher beschwerlich. Statt des nächsten prachtvollen Ausblicks sehnt man das Ende der Etappe herbei. Aber noch ist es nicht soweit. Ein Denkmal für den Jakobsweg.

Nach mehr als 36 km komme ich nach Le Côte-Saint-Andrè.

Hier hat Héctor Berlioz gelebt und gearbeitet. Ihm sind das Museum und ein jährliches Musikfestival gewidmet.

An der Kirche endet die Etappe.

Ich habe im Hotel d’Europe Quartier bekommen, das seine besseren Zeiten hinter sich hat. Das Zimmer ist sauber, das Essen überreichlich. Die Männer, die sich bei meinem Eintreffen am Nachmittag gerade noch an der Theke halten können, sind am Abend immer noch da. Ja, der Absinth…

Tagesstrecke: 36,3 km

Corr

6. Tag Sonntag, 7.Mai 2017 Saint-Genix-sur-Guiers nach Valencogne 

Vorerst einen kurzen Nachtrag zum gestrigen Tag, für den Regen mit Chance auf Sonne angesagt war. Am Abend hat die Sonne kurz ihre Aufwartung gemacht.

In der Nacht ging mehrmals kräftiger Regen nieder, was sich in einem Ferienhäuschen noch stärker anhört. Zum Frühstück, das für Franzosen sehr umfangreich war, war es wieder trocken.

Der Campingplatz wird von einem holländischen Paar betrieben. Daher sind seine Landsleute seine Hauptkundschaft.

Mein erster Weg führt mich in das Ortszentrum, das am Sonntag natürlich sehr ruhig ist, obwohl die Lebensmittelgeschäfte offen haben. Dort erstehe ich ein Stück der lokalen Spezialität „Gâteau de Saint-Genix“, ein Kuchen, in den rote Pralinen eingearbeitet sind. Das Belegexemplar hat den Fototermin nicht mehr erlebt.

Obwohl Sonntag ist, ist die Kirche verschlossen.

Der Regen der letzten Tage hat dem Guiers viel Wasser gebracht.

Die nächsten Kilometer gehe ich entlang des kanalähnlichen Guiers, der gleich bei Saint-Genix in die Rhône mündet.

Die Autobahn A43 überquere ich bei Romagnie.

Der Regen in der Nacht hat diesem Baum schwer zugesetzt. Das hat einen Autofahrer nicht gehindert, links über die Böschung zu fahren.

Neben der Straße finden sich immer wieder florale Überraschungen.

Diese Wiese ist eine Farbenpracht.

Die Landschaft erinnert an die Oststeiermark und ist landwirtschaftlich geprägt.


Die Gebäude sind oft mit einem Lehmverputz versehen, was auch an diesem renovierten Haus praktiziert wird.

An den Bächen habe ich einige Waschplätze (?) gesehen.

Anstelle der offiziellen Schilder gibt es immer liebevoll angefertigte individuelle Wegweiser.

In Les Abrets erlebe ich richtig viel Verkehr. Während ich in einem Restaurant mit Salat und Getränk für mein isotonisches Gleichgewicht sorge, geht draußen ein Regenguss runter. Kaum habe ich mich danach in Regenhose und Regencape gekämpft, hört der Regen wieder auf. Meine Versuche, in Le Pine eine Unterkunft zu finden, schlagen fehl.

Ich wandere über Feldwege und kaum befahrene Straßen. Manches Mal sind sie so steil, dass ich ordentlich ins Schnaufen komme.

Wenn man langsam geht, sieht man dafür mehr.

Am Wegrand erinnert dieses ansprechende Denkmal an den Jakobsweg.

Auf der Suche nach einer Unterkunft werde ich in Valencogne fündig.

Der Ort hat eine markante Kirche, die sich als Sammelpunkt für Caminodevotionalien erweist.

Meine Unterkunft in einem umgebauten Wirtschaftsgebäude ist sehr nett und gepflegt.

Als die Hausfrau zum Abendessen nur einen Salat bringt, bin ich leicht enttäuscht.

Doch dann gibt es noch Rindfleisch mit Gemüse und Pilzen und ein Gratin. Den Abschluss bilden drei gute Käsestücke. Der Rose ist zwar nicht aus der Gegend, schmeckt aber sehr gut.

Dann reserviert mir meine Hausfrau noch das Quartier für den nächsten Tag.

Der Abend ist der Entscheidung in der französischen Präsidentenwahl gewidmet. Es gibt nur wenige Plakate, meist eines für jeden Kandidaten in A2 – Größe bei den Gemeindeämtern.

Als das erste Ergebnis um 8 Uhr bekannt gegeben wird, stürmt meine Hausfrau herein: Sixty-five percent, sixty-five percent!“ und ist sichtbar erleichtert und happy.

Ein denkwürdiger Tag geht zu Ende.

Tagesstrecke:  21,6 km

5. Tag Samstag, 6. Mai 2017 Yenne nach Saint-Genix-sur-Guiers

Der Wetterbericht löst Diskussionen aus. Um 11 Uhr soll der Regen kommen. Originalroute oder Alternativroute? Aber dazu später.

An einem Tisch treffen sich heute Wanderpilger aus USA, Schweiz, Deutschland und Österreich. Dazu kommen zwei Radpilger aus der Weststeiermark.

Gegen viertel neun breche ich auf und wähle wegen des vorerst schönen Wetters die Originalroute wie vor mir Gertrud aus der Schweiz und Paul aus Kalifornien.

Am Eingang in die Rhôneschlucht führt eine interessante Brücke über den Fluss. Unser Weg geht aber gleich auf den Berg.

Ein letzter Blick auf Yenne zeigt wie klein der Ort eigentlich ist.

Über der Stadt thront eine Marienstatue mit Kapelle, die in den 1860er-Jahren im Zuge der Katholisierung des Landes errichtet wurde.

Von der Stadt aus sind mir große braune Flecken am Berg aufgefallen. Was ich von weitem für Brandschäden hielt, entpuppt sich als Fraßschaden der Buchsbaumminiermotte, die auch bei uns Verbreitung findet. Kein einziger der Buchsbaum-Sträucher, die hier ganze Flächen bedecken, treibt aus.

Auf dem Weg, den wir zu gehen haben, hängen tausende von Raupen von den Bäumen. Wo vor wenigen Minuten ein Wanderer die Raupen entfernt hat, sind sofort neu da, die die Chance, vertragen zu werden, nutzen.

Ich nutze noch die letzten Minuten vor dem Regen, um in die Rhôneschlucht und die Landschaft zu schauen.

Aus einem Kloster hat sich die wehrhafte Anlage Pierre Châtel an der Grenze Savoyens entwickelt.

Das alte Steinkreuz hoch über dem Tal war einst ein Wallfahrtsziel. Es soll um die 700 kg wiegen.

Dann kommt der versprochene Regen und wird uns bis an unser Ziel begleiten.  Da hilft nur gute Kleidung und Ruhe.

Unser Weg führt uns auf über 800 m hinauf. Hätten wir die Alternativroute genommen, hätten wir uns keine Höhenmeter erspart, uns aber um die schöne Aussicht gebracht.

Der Abstieg auf ungefähr 210 m Seehöhe ist glücklicherweise nicht so schwierig wie der Aufstieg. Ein Pilgerfreund hat in seiner Scheune eine Labestation eingerichtet. Von Kaffee, Bier Wasser, alles ist gegen Einwurf von Münzen zum Selbstkostenpreis zu haben.

Nach etwas mehr als sieben Stunden erreichen wir unser Ziel und finden in einem geräumigen Bungalow eine trockene Bleibe.

Ein Höhepunkt des Tages: Ich habe meine ersten reifen Walderdbeeren gefunden und gegessen. Einfach köstlich…

Tagesstrecke: 25 km

Corr

4.Tag Freitag, 5. Mai 2017 Chanaz nach Yenne 

Nach der gestrigen Gewalttour war ich mir nicht ganz sicher, wie es mir heute gehen wird. Nach einem guten Frühstück mit einem kanadischen Paar und zwei deutschen Pilgerinnen mache ich mich nach halb neun auf den Weg. Heute sollte ja eine kleinere Strecke auf dem Programm stehen.

Die schönen Wege und das herrlichen Wetter lassen mich das Wandern genießen. Immer wieder habe ich gute Ausblicke ins Rhônetal.

Hier gibt es noch Wiesen mit verschiedenen Blütenpfanzen, nicht nur Saatguteinerlei.

Der Weg führt auf über 400 m in die Weinberge der Hautevin – Region von Jongieux. Hier wird ähnlich wie in der Südsteiermark auf steilen Hängen vorwiegend händisch produziert.

In einem kleinen Waldstück hat das Mikroklima etwas verrückt gespielt. Plötzlich sind alle Bäume vermoost wie in einem Regenwald.

 

Der Pilger  bekommt Gesellschaft!

Von einer steilen Felsenklippe hat man einen grandiosen Ausblick.

Der Weg zum Fluss ist steil und beschwerlich. Da sind die Wanderstöcke Goldes wert.

Der Blick zurück lässt staunen. Vor Kurzem war ich noch dort oben.

Ein beschaulicher Weg entlang des Flusses führt an Auwäldern und Feldern vorbei.

In Yenne angekommen, mache ich mich auf die Suche nach der Unterkunft im ehemaligen Kapuzinerkloster.

Heute ist im längst aufgelassenen Kloster ein Bildungshaus untergebracht.

Beim anschließenden Ortsrundgang entdecke ich einiges Interessante wie die Wasserversorgung aus dem Mittelalter, errichtet durch die Mönche.

Die Kirche hat einige Bauteile aus dem 12. Jhdt.

In der Stadt treffe ich wieder die beiden deutschen Frauen, die Kanadier und zwei weststeirische Radpilger, die die Strecke von zu Hause bis Santiago durchfahren möchten.

Das sind die schönen Seiten des Pilgerns.

Tagesstrecke: 17,5 km

Corr

3. Tag Donnerstag, 4. Mai 2017 Chaumont nach Chanaz  

Leider wird nichts aus dem Blick auf den Sonnenaufgang über dem Montblanc. Es wäre ja eine würdige Begrüßung des Tages gewesen. So aber fallen die letzten Tropfen des zeitweise kräftigen Regens der Nacht. Man kann nicht alles haben!

Dafür entschädigt uns ein liebevoll zubereitetes Frühstück. Ich will heute allein weitergehen. Werner tut sich am Berg doch etwas schwerer und ich will heute etwas weiter kommen. So genieße ich die nebelverhangene Umgebung und freue mich über die kleinen Schönheiten.

Ein Schloss, dass von der Nähe schon etwas renovierungsbedürftig aussieht, steht über dem Tal von Les Usses.

Es geht durch schöne Waldwege immer bergab bis plötzlich Frangy auftaucht.

Der Ort hat außer der Fassadenbemalung nicht sehr viel Charme. Die in allen Führern als besonders beschriebene Brücke ist so verwachsen, dass man sie von keiner Seite fotografieren kann.

Gleich geht es hügelan weiter. Der Ausblick muss  bei Schönwetter wirklich großartig sein. Aber auch die Nebelschwaden verzaubern die Landschaft.

Bärlauch wächst in Hülle und Fülle und legt eine intensive Duftnote über die Landschaft.

Hier und da gibt es auch eine Bärlauchhimmelleiter.

Ich folge der Markierung des Jakobswegs, obwohl meine Route auf dem Navi eine andere ist. Ich will sichergehen, dass ich nicht auf einem alten Weg lande.

Die Häuser sind überwiegend aus Stein errichtet. Der Verkehr auf den Verbindungsstraßen zwischen den Dörfern ist fast nicht vorhanden.

In Desingy hoffe ich vergeblich auf ein Café oder eine Bar. Die Kirche und ein altes burgähnliches Gebäude erwecken mein Interesse.

Der lange Abstieg über Les Côtes nach Seyssel gibt schöne Ausblicke auf das Rhônetal frei. Seyssel ist mein nächstes Ziel.

Bei einem Straßencafe treffe ich wieder auf die vier Vorarlberger von Genf, von denen einer ein Brite ist. Nach einem gemeinsamen Bierchen mache ich eine kurze Stadtbesichtigung.

Die Kirche hinter den kleinen Gässchen ist eher enttäuschend für einen so wichtigen Ort.

Die alte Brücke ist von ihrer Anlage her wirklich schön. Sie hat von jeher Reichtum in die Stadt gebracht, auch weil sie zwischen zwei Provinzen steht.

Es ist erst Mittag und ich versuche ein Quartier in den nächsten Orten zu bekommen. Mir bleibt die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder wieder über die Berge gehen und auf ein Quartier zu hoffen oder im Tal weiterzugehen.

An der Rhône entlang gehen wunderbare Wege, die meisten geschottert oder Waldwege, manche sind auch als Radwege asphaltiert.

Gleich nach Seyssel führt eine neuere Straßenbrücke den Verkehr über die Rhône, später eine Eisenbahnbrücke.

Nach einem nunmehr sehr anstrengenden Tag kommt Chanaz in Sicht.

Chanaz liegt an einem Kanal, der den Lac de Bourget mit der Rhône verbindet.

Am Abend nach einer elendslangen Wanderung droht Strafverschärfung:

Die Lage ist traumhaft schön und um diese Zeit noch sehr ruhig. Nur ein  Restaurant hat am Abend offen.

Ich finde rasch meine Herberge und habe gerade noch Zeit zur Erfrischung vor dem Abendessen.

Fazit des Tages: Manchmal stellt man auch ungewollt persönliche Rekorde auf.

Tagesstrecke: 39,5 km

Corr

2. Tag Mittwoch, 3. Mai 2017 Beaumont nach Chaumont 

Eine angenehme Nacht in  einer schönen Herberge kann nur einen guten Tag bringen.

Ich gehe heute mit Werner, einem pensionierten Arzt aus dem Großraum Stuttgart gemeinsam. Wir haben uns von der Herbergsmutter die Reservierung eines Chambres d’hôtes machen lassen und brauchen uns darum nicht mehr kümmern. Die Alternative wäre eine ungeheizte (!) Herberge gewesen. Aus dem Alter sind wir schon draußen, haben wir beschlossen.

In der Nacht haben sich Regen und Wind gelegt, die Wolken fliegen aber trotzdem noch tief.

Die schlichte Dorfkirche bildet das bescheidenen Dorfes über dem Rhône – Tal.

Gleich führt uns der Weg durch frischgrüne Buchenwälder immer bergauf.

Das Bild lässt den Ausblick bei Schönwetter nur erahnen. Wir sind froh, dass es nicht regnet.

Die Chartreuse de Pomier wurde schon 1170 gegründet. Die ehemalige Pilgerherberge ist gut renoviert und dient für Hochzeiten und Empfänge.

Mitten im Wald empfängt uns ein kleiner Pilger.

Die Wege sind sehr abwechslungsreich und trotz des Regens am Vortag einigermaßen gut zu gehen. Bis jetzt geht es eigentlich nur bergauf!

Am Wegrand finde ich auch ein paar schöne Orchideen. Wer diese Knabenkräuter kennt, möge es mir mitteilen.

Nach langer Wanderung endlich wieder ein Dorf.  Am Ausgang des Ortes lassen wir uns einen kleinen, selbst mitgebrachten Imbiss schmecken. Kein Lokal weit und breit.

Endlich kein Berg! Von hier hat man auch einen guten Ausblick auf das Rhônetal bis nach Genf und zum Genfersee.

Vom Westen droht eine Regenfront, die sich dann doch nach Norden davonmacht. Den Kühen ist das, im Gegensatz zu uns, egal.

Ein Gruß aus Lourdes.

Weit bin ich gegangen, ein weiter Weg liegt noch vor mir. Gut, dass ich die letzten 800 km schon auf meinem „Konto“ habe.

Steil und steinig führt der Weg hinunter zur Schlucht des Fornants,  wo die Pont des Pissieus über ein eindrucksvolles Naturschauspiel führt.

Die letzten Kilometer bis zu unserem Ziel in Chaumont gehen nur steil bergauf.

In de Malpas sehe einen alten Benzintraktor von Citroën in einem Schuppen.

Diese Vorrichtung erinnert an eine Wolfsfalle, mit der sich die Bewohner des Dorfes ihrer Nahrungskonkurrenten entledigten.

Das wäre vielleicht der direkte Weg ins Dorf, den wir aber angesichts des heutigen Wetters doch meiden: ein Kletterpark im Vulkangestein.

Endlich kommen wir zur Kirche von Chaumont und danach in unsere Unterkunft. Ein schöner Tag geht mit Sonne zu Ende.

Tagesstrecke: 26,3 km

Corr

1. Tag Dienstag, 2. Mai 2017 Genf nach Beaumont 

Nach dreizehn Stunden in der Eisenbahn stehe ich nun in Genf. Ein paar Tropfen kommen vom Himmel, als ich mich vor dem Bahnhof einmal kurz orientiere. Neun Grad zeigt das Thermometer auf der anderen Straßenseite.

Ich beginne den Weg mit dem Besuch der katholischen Basilika Notre-Dame de Gèneve. Dort bekomme ich auch meinen ersten Stempel.

Für heute lasse ich das Sightseeing Nebensache sein, letztes Jahr war ja ausführlich dafür Zeit.

Zum ersten aber bestimmt nicht zum letzten Mal auf meiner Wanderung überquere ich die Rhône. Da treffe ich gleich vier Vorarlberger, die auch ihren Weg vom Vorjahr fortsetzen wollen.

Ich gehe gleich zielstrebig zur Kathedrale Saint-Pierre, die Hauptkirche der Reformierten  Kirche in Genf. Auch hier hole ich mir einen Stempel.

Der Weg aus der Stadt führt durch die heimelige Vorstadt namens Carouge mit alten, niedrigen Häusern. Ein Passant erklärt mir den Weg, den ich mir ohnehin nicht merke. Er war selbst auf dem Jakobsweg und freut sich, als er mich als seinesgleichen erkennt. Der Weg ist hervorragend markiert, trotzdem lege ich bei einer Baustelle eine kleine Schleife ein.

Plötzlich führt der Weg durch eine parkähnliche Gegend und die Vögel zwitschern aus vollem Hals.

In Compesières steht noch ein Teil einer alten Johanniter – Komturei. Ein paar Schießscharten zeugen von der weniger friedlichen Zeit im Mittelalter.

Der Weg führt hinab zu einer kleinen Brücke – und ich bin in Frankreich. Eigentlich bin ich nur aus der Schweiz heraus, denn ich finde keinen Hinweis, dass da Frankreich ist.

Bei Neydens holt mich doch der Regen ein, aber besser als Hagel und Schnee.
Ich habe keine Vorstellung, wie die Landschaft hier ist. Sie stellt sich gleich mit ein paar kräftigen Anstiegen vor.

Mein Tagesziel Beaumont kommt mir wie ein Bergdorf vor. Nicht umsonst nächtige ich in der „Fromagerie“ auf 726 m.

Tagesstrecke: 17,3 km

Corr