Plan A: Eigentlich war ja geplant, dass ich Heidrun, meine Frau, Ende April 2020 auf ihrem ersten Camino von Porto nach Santiago begleite. Wir hatten uns schon eifrig auf dieses Unternehmen vorbereitet und sind testweise ein Stück des Südösterreichischen Jakobsweg gegangen (siehe Berichte). Wir haben übersichtsartig den Weg vorsichtig geplant, damit das neue Knie von Heidrun nicht überstrapaziert wird. Wir waren knapp daran, die Flüge zu buchen.
Doch dann kam CORONA!
Plan B: Nachdem ich recht bald erkennen konnte, dass aus Plan A nichts wird, habe ich mit Plan B zu liebäugeln begonnen, der Fortsetzung meines Köln-Wegs durch Bayern. Bald waren auch da alle Türen zu. Nachdem das Alphabet glücklicherweise noch mehr Buchstaben anbieten kann, kam Plan C ins Spiel:
Wir wandern zu Hause und lernen unsere Umgebung besser kennen.
Der Grazer Umlandweg ist ein System aus Wanderwegen rund um Graz. Teilweise ist der Weg als GUW markiert, teilweise folgt er anderen markierten Wanderwegen. Wir haben den ganzen Weg mit etwa 190 km Länge in kleine Tagesetappen so aufgeteilt, dass die Start- und Endpunkte immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden können.
Die erste Etappe konnten wir noch vor dem Lock-Down in Angriff nehmen. Dann war für mehrere Wochen Pause, da die öffentlichen Verkehrsmittel nur für den Notverkehr zugelassen waren. Erst mit der teilweisen Aufhebung im Mai konnten wir unseren Weg fortsetzen.
Am Ende jedes Etappenberichtes gibt es einen Link zur Karte auf Alpenvereinaktiv.com
Nun zu unserem Abenteuer:
Etappe 1: Donnerstag, 12. März 2020 Laßnitzhöhe – St. Radegund
Mit der S-Bahn S3 fahren wir ein paar Stationen in Richtung Osten und verlassen beim Bahnhof Laßnitzhöhe den Zug. Nach ein paar Orientierungsgedanken marschieren wir los.
Nach einer kurzen Strecke entlang der Bahnlinie auf der Straße zweigt der Weg in die Hügel ab. Es ist früh im Jahr und die Wiesen sind noch braun.
Vom Hahnkogel aus haben wir eine gute Sicht auf die schneebedeckten Gipfel der Gleinalm. Vor uns zeigt sich erstmals der Schöckl, der Grazer Hausberg. Naturwege und Straße wechseln sich immer wieder ab.
Die Frühblüher zeigen sich schon in voller Pracht.
Wir durchqueren das Lembachtal und kommen auf das Stuhlingeregg.
Der Planetenweg, dessen Ausgangspunkt im Zentrum von Eggersdorf liegt, führt über 6 km durch die Umgebung von Eggersdorf.
Eggersdorf ist der erste Ort auf unserem Weg.
Die Kirche aus dem 19. Jhdt. wurde im Stil des Historismus errichtet und weist verschiedene Gestaltungsrichtungen auf. Während die Außenfassade neoromanisch ist ist der Innenraum neobarock.
An der Außenmauer findet man zwei Römersteine aus dem zweiten Jahrhundert, die daran erinnern, dass eine wichtige Römerstraße vom Raab- in das Murtal durch Eggersdorf verlief.
Dieser schöne Bildstock in Kotzersdorf stellt neben Mariä Himmelfahrt auch für die Bevölkerung wichtige Heilige dar.
Auf dem Weg sehen wir immer wieder Reste von alter Architektur
Am Kumberger Badesee tummelt sich bereits der erste Gast.
Kumberg liegt auf einer Hügelkuppe und ist eine typische stadtnahe Zuzugsgemeinde.
Nach Kumberg geht es noch einmal tief in den Rabnitzgraben.
Schließlich erreichen wir St. Radegund, einen Kurort, der bereits in der Monarchie weithin bekannt war.
Von St. Radegund nehmen wir den Bus, der uns in das Zentrum von Graz bringt.
Tagesstrecke: 20,0 km; ↑ 637 m; ↓ 403 m;
Über 50 % Asphalt oder Straße, 19 % Weg, 19 % Pfad, 7 % Schotterweg
Die Strecke ist meist verkehrsarm oder verkehrsfrei.
Etappe 2: Donnerstag, 06. Mai 2020 Laßnitzhöhe – Hühnerberg
Nach der langen Sperre der Öffis für den Freizeitverkehr können wir nun wieder mit Mund-Nasen-Masken die Eisenbahn benutzen. Wir fahren wieder nach Laßnitzhöhe um diesmal den GUW in die Gegenrichtung in Angriff zu nehmen.
Nahe der Bahnstation steht das erste Hinweisschild für den Weg. Wir nehmen diesmal den Süsostabschnitt in Angriff. Leider sind nicht überall so informative Hinweise zu finden.
Der Weg führt gleich steil durch einen Wald hinauf in den Luftkurort Laßnitzhöhe, den wir rasch durchqueren und wieder im Grünen landen.
In einem kleinen Bildstock am Greimelweg steht eine schöne Madonna mit Kind.
In der blühenden Umgebung finden die Bienen ausreichend Futter. Dieser Imker kann einen reichen Ertrag erwarten.
Über die kleine und verkehrsarme Straße wandern wir in Richtung Nestelbach. Der Vogelgesang wird durch Verkehrslärm vorerst nicht gestört.
Kurz vor Nestelbach müssen wir die Autobahn A2 unterqueren. Hier ist es ungewont laut, obwohl durch die Beschränkungen der Pandemie weniger Fahrzeuge unterwegs sind.
Die Pfarrkirche von Nestelbach bei Graz ist weithin sichtbar und sehenswert. Die Jakob dem Älteren geweihte Kirche wurde 1779 – 1783 im Stil des Spätbarocks errichtet, ihre Vorgängerbauten gehen aber bis in das ) 15. Jhdt. zurück.
Rund um Nestelbach ist kleinstrukturierte Landwirtschaft zu finden. Obstbau und Viehwirtschaft sind die Hauptzweige.
Manche Bauernhöfe sind noch bewirtschaftet. Die Ziegeldekors auf den Giebelseiten sind immer noch ein schöner Schmuck.
Zwischendurch gibt es noch traumhafte Waldwege
Der Blick nach Süden in Richtung Südsteiermark und Slowenien ist leider etwas eingetrübt. Hier wechseln Gräben und Hügelzüge ständig ab, manchmal ist das Navi wirklich wichtig, um die Position genau zu bestimmen.
Der Hof mit den Hügelland-Alpakas ist wegen der Corona-Krise nicht zu besichtigen.
Auf den letzten Metern zu unserem Tagesziel, dem Hühnerberg.
Unsere zweite Etappe endet an der Haltestelle „Hausmannstätten – Hühnerberg“ an der Kirchbacher Bundesstraße B73. Von hier verkehren fast stündlich Busse nach Graz.
Tagesstrecke: 20,4 km; ↑ 404 m; ↓ 453 m;
Über 65 % Asphalt oder Straße, 6 % Weg, 19 % Pfad, 7 % Schotterweg
Die Strecke ist meist verkehrsarm oder verkehrsfrei.
Bei KM 8,1 zweigt der Weg von der Straße in den Wald ab. Dort verliert sich der Weg und man muß sich einen Pfad zum Bach suchen.
Bei KM 11,0 endet der vorgesehene Weg in einem Weidezaun, der so errichtet wurde, dass zwischen Zaun und Buschwerk kein Platz bleibt. Wir haben den Zaun überwunden und sind über die Weide am Gehöft vorbeigegangen.
Etappe 3: Montag, 11. Mai 2020 Hühnerberg – Werndorf
Mit dem Bus erreichen wir die Aussteigstelle Hühnerberg und beginnen gleich mit dem Aufstieg auf den Gipfel des „Berges“. Über Waldwege erreichen wir den Gipfel, den auch ein Gipfelkreuz mit einem Gipfelbuch, wie es sich für einen richtigen Berg ziemt, auszeichnet.
Eine Zeit lang wandern wir auf Waldwegen in Richtung Fernitzberg. Wir ersparen uns den Umweg in Richtung Fernitz, sondern nehmen die Variante direkt nach Gnaning. Auf diesem Abschnitt hat man bei Schönwetter einen guten Ausblick auf das Murtal und das Bacherngebirge in Slowenien, dem südöstlichsten Ausläufer der Zentralalpen.
Gnaning begrüßt uns mit einem massiven Ortsschild. Heute gehört der Ort zur Gemeinde Fernitz-Mellach.
Über einen schmalen Wiesenweg wandern wir in das Dorf Gnaning.
Unweit davon finden wir auch ein Hinweistafel auf den Mariazellerweg und eine Variante des Jakobsweges über Mureck nach Maribor/SLO. Mir ist die über Leibnitz und Spielfeld lieber, auch weil sie kürzer ist.
Der Anstieg auf der anderen Grabenseite ist recht anstrengend, wird aber mit Lächeln genommen.
Ein altes Marterl beim Ulrichsbrunnen mit einer eindrucksvollen Darstellung der Madonna mit Kind.
Die ehemalige Pfarrkirche, heute Filialkirche St. Ulrich wird gerade außen renoviert und trockengelegt. Die um 1442 erbaute gotische Kirche ist dem Hl. Ulrich geweiht, dem Heiligen der Reisenden, Wanderer, Fischer, Weber, Winzer und Sterbenden.
Auch außerhalb der Kirche trifft man auf den Hl. Ulrich.
Die Ortsnamen in dieser Gegend können zum Schmunzeln anregen.
Die Wolkenstimmung ist zeitweise besorgniserregend.
In der Nähe von Allerheiligen verstarb der Landeshauptmann der Steiermark, Josef Krainer sen., 1971 auf der Jagd. Zur Erinnerung wurde diese Kapelle nach Plänen des Künstlers Kurt Weber-Mzell errichtet. Die Glasfenster sind Werke von Alfred Wickenburg.
Wir kommen nach Allerheiligen bei Wildon, einen alten Siedlungsraum. Schon in der Steinzeit siedelten hier Menschen. Aus der Römerzeit ist eine alte Villa rustica nachgewiesen. Die Kirche und Schloss Herbersdorf sind Zentren des Ortes.
Nun geht es bis Wildon gemütlich bergab.
Bei Wildon überqueren wir die Mur. An der Mündung der Kainach steht sogar ein Leuchtturm.
Wildon mit dem Ortsteil Oberer Markt und der Pfarrkirche St. Magdalena liegt über der Kainach.
Am Murradweg R2 gehen wir nun in Richtung Norden nach Werndorf. Abseits vom Autoverkehr wandern wir durch die Auwänder der Mur.
Nach dem Kraftwerkszentrum Mellach – Werndorf kommen wir rasch an die Bundesstraße B67, wo wir fast wie auf Bestellung mit dem Bus die Heimreise nach Graz antreten können.
Tagesstrecke: 20,8 km; ↑ 414 m; ↓ 544 m;
Über 69 % Asphalt oder Straße, 12 % Weg, 17 % Pfad, 2 % Schotterweg
Wie immer sehr informativ und mit schönen Fotos.
Danke fürs Teilen
Volker
P. S. Die Bananen hben alle drei überlebt und schon einige neue Blätter
Sehr schöne Bilder, informativer Hintergründe werden sehr schön dargestellt, Danke Gerhard