Auch beim Frühstück werden wir bestens versorgt. So fällt es uns nicht schwer, uns auf die heutige Etappe zu begeben.
Wir beginnen bei der Dorfkirche, wo ich auf einen Stempel hoffe und ihn auch bekomme. Die Vorgängerkirche datiert auf das 8. Jhdt., wie Ausgrabungen belegen. Der heutige Bau geht auf das 17. Jhdt. zurück, der Turm fast auf das 12. Jhdt.
Dorfkirche Nieder-Weisel
Interessant ist auch die Geschichte der Johanniter-Komturei mit der Komturkirche aus dem 12. oder 13. Jhdt.
Nach 1185 kam es zur Gründung einer Komturei des Johanniterordens, einer evangelischen Ordensgemeinschaft, die auf den 1. Kreuzzug zurückgeht.
Komturkirche in Nieder-Weisel aus dem 12. oder 13. Jahrhundert
Wir wandern auf ein weitläufiges Plateau, das eine gute Fernsicht ermöglicht.
Plateau nach Ostheim
Gestern berichtete ich von einem Speierling-Baum. Heute wandern wir entlang einer Allee von Speierling-Bäumen. Durch diese Allee soll schon Martin Luther auf seinem Weg nach Worms gefahren sein. Der Speierling (Sorbus domestica) gehört, wie die Eberesche, zur Gattung der Mehlbeeren. Sein Holz ist das schwerste aller europäischen Laubhölzer.
Speierling – Allee
In Ober-Mörlen passieren wir die mächtige Schlossanlage.
Ober-Mörlen
Jetzt wandern wir entlang der Usa, die uns bis Bad Nauheim begleitet. Wir unterqueren wieder die A5 – Autobahn und kommen zum Großen Teich in Bad Nauheim.
Bad Nauheim – Großer Teich
Die Kurparks dieser Stadt sind riesig.
Bad Nauheim – Kurhaus Bad Nauheim – Dankeskirche
Nicht zu übersehen sind die Gradierwerke in der Stadt, die auf die frühere Salzgewinnung verweisen und heute aus medizinischen Gründen noch betrieben werden.
GradierwerkPumpe zum SoletransportPumpe zum Soletransport
Unterwegs haben wir noch ein Date mit dem King of Rock & Roll, Elvis Presley. Der verbrachte längere Zeit in Bad Nauheim und Friedberg.
Heidrun meets Elvis
Dann ist es nicht mehr weit nach Friedberg. Die alte Festungsanlage und das Schloss befinden sich im Zentrum der Stadt.
Friedberg – BurgFriedberg – SchlossFriedberg – Stadttor mit Burggraben
Die evangelische Stadtkirche „Unserer lieben Frau“ ist montags geschlossen.
Stadtkirche „Unserer lieben Frau“
Unsere Bleibe ist heute die kleine „Pension Moni“ in der Nähe des Zentrums.
Heute am Sonntag nehmen wir das Frühstück im Hotel ein, weil ohnehin kein Cafe früher die Möglichkeit dazu bietet.
Eigentlich wollten wir durch den Schlosspark aus der Stadt wandern,. Der ist aber leider durch Naturgewalt gesperrt. So kommen wir an der Licher Brauerei vorbei, deren Pils wir schon getestet und für gut befunden haben.
Brauerei Lich
Auf kleinen Wegen gehen wir der Wetter entlang und kommen schließlich zum ehemaligen Kloster Arnsburg.
Weg entlang der WetterEingang zum Kloster Arnsburg
Die Geschichte des Kosters beginnt schon um 800, als es hier eine fränkische Klostergründung gab. 1150 wurde ein Benediktinerkloster gegründet und wieder aufgegeben. 1174 kamen die Zisterzienser und gründeten erneut ein Kloster, das bis zur Säkularisierung 1803 bestand. Heute befindet sich im ehemaligen Kreuzgang eine eindrucksvolle Gedenkstätte für Kriegsopfer unterschiedlicher Herkunft.
Kriegsopferfri⁷edhof im KreuzgangKloster Arnsburg – Kapitelsaal
Gleich in der Nähe befindet sich die Ausgrabungsstätte der alten Burganlage Arnsburg
Burganlage Arnsburg
Noch viel älter sind die Spuren der Römer, die hier ein Kastell am Limes errichtet hatten. Am römischen Wetteraulimes entstand um 90 n. Chr. ein befestigtes Kohortenkastell auf einer Hochfläche über der Mündung des Welsbaches in die Wetter. Zahlreiche Schautafeln und diese 3D – Ansicht lassen die Welt der Römer am Limes lebendig werden.
Modell des Castrums
Früher Römerstraße, heute Wiesenweg.
Ausfahrt aus dem Castfllum
In der Ferne taucht die Burgruine Münzenberg mit der gleichnamigen Stadt auf.
Münzenberg
Bevor wir noch zur Stadt kommen, müssen wir noch die A45 (Dortmund – Aschaffenburg) überqueren.
Autobahn A45
Die evangelische Kirche hat einen eigentümlich gedrehten Turmaufsatz.
Münzenberg – evangelische Kirche
Die Ruine Müzenenberg sieht von der Hinterseite noch interessanter aus. Die seit 1162 namentlich bekannte Burg Münzenberg ist eine der bedeutendsten Burganlagen Deutschlands aus dem Hochmittelalter. Heute finden hier Theateraufführungen und Mittelaltermärkte statt. Die Burg ist zu besichtigen.
Münzenberg von SüdenMünzenberg von Süden
Ein paar hundert Meter dem Bergkamm entlang steht der Galgen als Zeichen der Blutsgerichtsbarkeit. Die letzte Hinrichtung auf dem Münzenberger Galgenplatz fand am 22. Mai 1742 statt.
Münzenberg – GalgenGüterweg
Für ein paar Kilometer haben der Jakobsweg der Region Vogelsberg und Lutherweg den gleichen Verlauf.
Jakobsweg der Region Vogelsberg
Vor Rockenberg treffen wir einen begeisterten Jakobswegfan, der sich freut, endlich Pilger auf dem Weg zu treffen (auch wenn sie den Lutherweg gehen).
Feld
In Rockenberg suche ich vergeblich nach einem Stempelplatz. Weder in der Kirche noch beim Rathaus ist etwas zu finden.
Rockenberg – Rathaus
Nach Rockenberg beginnt sich der Weg zu ziehen und ist nach nach der Überquerung der A5 (Hessen bis zur Grenze der Schweiz) noch nicht zu Ende.
Autobahn A5
Heute sind wir bei Pilgerfreunden in Nieder-Weisel, bei der Familie Stahl, untergebracht. Nach dem herzliche Empfang beziehen wir unser Zimmer, werden zu Kaffee und Kuchen eingeladen und bewundern noch gemeinsam die Mondesfinsternis.
Bei strahlend blauem Himmel vetlassen wir unser Hotel um 7.00 Uhr und nehmen unser Frühstück im nahen Supermarkt ein. Im Hotel hätte es frühestens um 8 Uhr etwas zu essen gegeben und unsere heutige Strecke ist lang.
Ein guter Morgen
In dieser Gegend ist bis in die Mitte des 20. Jhdt. Eisenerz abgebaut worden. Am Wegrand stehen interessante Informationen zu diesem Kapitel der Industriegeschichte.
Informationen zum Erzweg
Die riesigen Felder sind zumeist schon abgeerntet.
Feld
Nach etwa acht Kilometern kommen wir nach Grünberg, wieder eine Stadt mit entzückenden Fachwerkbauten im Zentrum. Die evangelische Stadtkirche steht leider im Gerüst.
Grünberg – HauptplatzGrünberg – Fachwerkhaus
Der Diebsturm (um 1200) ist der Rest der einstigen Stadtbefestigung.
Diebsturm
Das Schloss Grünberg staht auf den Fundamenten des einstigen Antoniter-Klosters aus dem 12. Jhdt.
Schloss Grünberg
Ab Grünberg gehe ich für heute allein weiter. Heidrun schont ihre Gelenke und fährt mit dem Öffi bis Lich.
Vom Westen habe ich eine gute Sicht auf die kleine Stadt.
Grünberg vom Westen
In der Ferne kann man die Erhebungen des Vogelsbergs erkennen.
Erhebungen des Vogelsbergs
Einmal nicht aufgepasst und schon bin ich vom „wahren“ Pfad abgekommen.
Weg
Dafür treffe ich auf entzückende Alpakas, die mich genau beobachten. Nur das Junge wollen sie nicht herzeigen.
Alpakas
Der Wegfehler hat keine weiteren Folgen, statt links vom Bach gehe ich rechts und nach ein paar hundert Meter ist alles wieder im Lot.
Weg
Ich gehe nun ein paar Kilometer an der Wetter entlang, ein kleiner Fluss, der früher ein paar Mühlen angetrieben hat
An der WetterAn der Wetter
In Ober-Bessingen gibt es einen Bobbycar-Fan. Im Hof gibt es auch sonst viel „Antikes“.
Ober-Bessingen
Die Ober-Bessinger Pforte aus dem 18. Jhdt. diente als Rathaus, Schule und Rüsthaus. Heute ist hier ein Rotkreuzmuseum und eine Pilgerherberge untergebracht.
Ober-Bessinger Pforte
Der Weg ist lang, aber unterwegs gibt es immer etwas zu entdecken. Auf einer sauren Wiese blühen tausende Herbstzeitlosen.
Herbstzeitlose (Colchicum autumnale)
Eine Raupe des Brombeerspinners kreuzt meinen Weg.
Brombeerspinner (Macrothylacia rubi)
Am Rande steht ein sehr seltener Speierling-Baum voller Früchte.
Speierling (Sorbus domestica)
Dann sehe ich von Ferne den Stadtturm von Lich.
Lich – Stadtturm
Bei einem Stadtrundgang kommen wir beim Schloss, beim Rathaus und bei der Marienstiftskirche vorbei.
Schloss LichLich Rathaus MarienstiftskircheMarienstiftskirche
Hier setze ich mich zu Martin Luther in die Kirchenbank.
In der Nacht hat es etwas geregnet. Auch während des Frühstücks hat es nochmals nachgeregnet. Bis wir aus dem Haus kommen, scheint schon wieder die Sonne durch die Wolken.
Für heute haben wir die Route etwas unseren Verhältnissen angepasst und einen Extra-Schlenkerer ausgelassen.
Wir folgen bis Ermenrod dem Feldetal und biegen dann nach Südwesten auf die Originalroute ein.
Felda – Tal
In Ermenrode bekommen wir von einer Anrainerin den Schlüssel für die kleine Dorfkirche. So kommen wir auch zum Pilgerstempel.
Ermenrod – KircheErmenrod – Kirche
Danach erfolgt ein langer und stetiger Anstieg auf den nächsten Hügelrücken. Die Windräder dominieren den Ausblick auf den Anhöhen des Vogelsberggebiets.
Windräder am Vogelsberg
Die Rinder (Mutterkuhhaltung) verfolgen uns eine Weile vor uns (!) durch einen Weidezaun geschützt und beobachten uns neugierig.
Mutterkuhhaltung
Hinunter in das Ohm – Tal nach Oberohmen geht es rascher.
Ober-OhmenOber-Ohmen – Fachwerkhaus
Die Kirche in Ober-Ohmen geht auf das 13. Jhdt. zurück. Von diesem Bau blieb der wuchtige Turm mit alten Fresken. Im 18. Jhdt. übernahm eine neue Grundherrschaft diese Gemeinde und verfügte eine Gottesdienstpflicht für alle Erwachsenen. Nun waren das Gedränge in der Kirche und die Unzufriedenheit so groß, dass ein neues Hauptschiff gebaut wurde.
Ober-Ohmen – Evangelische KircheOber-Ohmen – Evangelische Kirche
Wieder geht es über einen Hügel weiter, in das Dorf Ruppertenrod. Der Wortteil „Rod“ deutet auf Rodungen im Mittelalter hin. Im Zentrum steht die kleine Dorfkirche im Fachwerkbau. Das Portal und das Wappen darüber haben mit gut gefallen.
Ruppertenrod – DorfkircheRuppertenrod – DorfkircheRuppertenrod – Dorfkirche mit dem Wappen derer von Riedesel
Über weite Hügel kommen wir schließlich nach Flensungen, einem Ortsteil von Mücke.
Wiesen- und FeldwegWegweiserrod – ein geroder Wegweiser
Schließlich entdecke ich an einem Baum einen Gemeinen Schwefelporling (Laetiporus sulphureus), der als Speisepilz nach Hühnerfleisch schmecken soll. In der veganen Küche und in der Pharmazie soll er von Bedeutung sein.
Auch heute gelingt es uns wieder, früh aus dem Haus zu kommen. Die Nacht war recht ruhig, wenngleich von der Autobahn A5 ständig Fahrzeuglärm wahrnehmbar war. Man hätte natürlich auch das Fenster schließen können.
Der morgendliche Markt in Alsfeld ohne Fahrzeuge ist etwas besonderes.
Alsfeld – Markt
Am Weinhaus entdecke ich noch die Prangereisen, die ich gestern an falscher Stelle gesucht habe.
Alsfeld – Pranger
Nach einem ausgiebigen Frühstück in der Bäckerei Günter, von der Chefin extra zubereitet, machen wir uns auf den Weg und freuen uns an den schönen Häusern.
Durch das Tal des Liederbaches wandern wir zur Kirche von Oberrod. Dieses Kirchlein im gotischen Stil geht auf eine Gründung von Bonifazius im 8. Jhdt. zurück. Darauf weist die Bonifazius-Linde im Kirchhof hin. Der heutige Bau dürfte aus dem 13. Jhdt. stammen.
Nach ruhiger Nacht ohne Gelsen sind wir schon un 7.10 Uhr auf dem Weg. Vorerst aber nur bis zur nächsten Bäckerei (ca. 1 km), wo wir uns ein gutes Frühstück gönnen. Dann geht’s richtig los.
Es beginnt gleich mit einer Bergwertung, besser Hügelwertung, die uns zu einem schönen Blick auf das Schwarzatal verhilft.
Grebenau
Die Gegend ist sehr hügelig, aber ohne große Höhendifferenzen. Die Getreidefelder, also alle Felder, sind schon abgeerntet.
Hügel um Grebenau
Das kleine Dorf Schwarz ist die erste Siedlung durch die wir heute kommen.
SchwarzSchwarz – evangelische Kirche
Danach geht es wieder endlos lange durch den Wald. Die Wege sind angenehm begehbar, weisen kaum Steigungen oder Gefälle auf und machen ein gutes Vorankommen möglich.
Forststraße
Am Ende des Tales steht eine riesige Schafherde (zumindest für uns) und lässt sich von uns kaum beim Grasen oder Wiederkäuen stören.
Schafherde
Gut, dass wir uns im Wald aufhalten. Über den Baumkronen weht ein kräftiger Wind, der auf offenem Feld sicher unangenehm ist.
WaldwegKurzstoppWaldweg
In Eifa werden die Pilger dringend aufgefordert sich an die markierte Route zu halten und nicht am Ortsrand nach Westen abzuweichen. Im Zentrum bei der Magdalenenkapelle finden wir dann den Hinweis, dass der Pilgerstempel im Pfarrzentrum zu bekommen sei. Dort führt auch der „alte“ Weg hin. Es wird schon einen Grund haben …..
Hinweis auf die Stempelstelle
Ein letztes Teilstück legen wir noch durch den Wald zurück und stehen plötzlich vor einem Monsterbauwerk. Hier entsteht ein Verteilerzentrum für die NORDWEST Handelsgruppe, eine Händlervereinigung mit einem Umsatz von 4,6 Mrd. €.
Alsfeld – NORDWEST AG
Vom Hügel aus haben wir auch eine schöne Sicht auf Alsfeld, ein Kleinod auf der Deutschen Fachwerkstraße.
Alsfeld
Gleich am Rand der Altstadt fangen die Fachwerkhäuser an. Die Dichte ist einzigartig. Das liegt in der Geschichte der Stadt: Sie war durch ihre Lage an der „kurzen Hessen“ – Straße, einer alten Heer- und Handelsteaße, zu großem Reichtum gekommen. Nach dem 30-jährigen Krieg verlor sie diese Stellung und blieb im Abseits. Für Innovationen blieb kein Geld. Bereits um 1900 erkannten die Stadtväter den Wert der alten Bausubstanz und beschlossen Schutzmaßnahmen. Im 2. Weltkrieg wurden bei einem Luftangriff zwar Häuser beschädigt, aber in keinem Verhältnis zu anderen Städten. Nach dem Krieg setzte sich die Erfolgsgeschichte der Restaurierung der alten Bestände an Fachwerkhäusern fort. 1975 wurde Alsfeld durch den Europarat zur „Europäischen Modellstadt“ erklärt. Heute stehen 400 Objekte in Alsfeld unter Schutz.
Alsfeld – Walburgiskirche 13. Jhdt.Alsfeld – Walburgiskirche 13. Jhdt.Alsfeld – Walburgiskirche 13. Jhdt.RathausAm MarktplatzObere FuldaerstraßeStadtmauer beim Mainzer Tor
Wir logieren heute in der Pension „Mainzer Tor“ mit angeschlossem Restaurant.
Pension und Restaurant Mainzer TorPension und Restaurant Mainzer TorAlsfelder – ein lokales BierVogelsberger Drecksack – saftiges paniertes Schnitzel überzogen mit angeschwenkten Champignons, Zwiebeln und Speckwürfel und zur Krönung mit Käse überbacken
Heute geht es richtig los. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Butter, Käse, Wurst, Schinken, Marmelade …. brechen wir gegen halb neun auf und verlassen Niederjossa.
Niederjossa – JossastraßeNiederjossaJossatal mit Niederjossa
Wir wandern entlang der aufgelassenen Bahnlinie Niederaula–Alsfeld, auch Gründchenbahn genannt. Sie wird seit 1994 im regulären Verkehr nicht mehr betrieben.
„Gründchenbahn“
Jedes Dorf hat hier seine Fachwerkhäuser. Viele davon sind wahre Juwele.
OberjossaOberjossa – Lutherwegmuseum
Nach ein paar hundert Metern auf der Straße sind wir schon wieder auf Feldwegen unterwegs.
In der Jossaaue bei Breitenbach am Herzberg
Die Kirche in Breitenbach am Herzberg ist leider geschlossen. Den Pilgerstempel für Breitenbach finden wir an anderer Stelle.
Breitenbach – Evangelische KircheBreitenbach – Herrenhaus der DörnbergsBreitenbach – Wappen der Dörnbergs
Nun beginnt ein langer, gemütlicher Aufstieg auf den Herzberg. Unterwegs genießen wir die gerade reifenden Brombeeren.
Anstieg zum Herzberg
Schon vor der Ankunft auf der größten Höhenburg Hessens, der Burg Herzberg, wussten wir, dass wir vor einem verschlossen Burgtor stehen würden.
Burg Herzberg
An nächsten Wochenende findet hier ein großes Mittelalterspektakel statt. Deshalb ist in dieser Woche bis dahin die Burg nicht zugänglich.
Burg Herzberg
Die Burg stammt aus dem 13. Jhdt. Ihre Lage an der Heer- und Handelsstraße „Kurze Hessen“ war lange Zeit strategisch wichtig. Im Dreißigjährigen Krieg standen 1631 Tilly und Otto Heinrich Fugger vor der Burg, 1635 belagerte sie Marquis de Grana, und 1637 marschierte General Piccolomini mit 4.000 Mann und „viel grobem Geschütz“ vor der Burg auf. Heute steht die Burg im Besitz der Familie Dörnberg aus dem hessischen Uradel.
Burg HerzbergAusblick von der Burg Herzberg
Wir besuchen auch die beschauliche Stätte mit dem Pilgerkreuz nahe der Burg. Auf dem höchsten Punkt des Lutherwegs 1521 in Hessen (506 m) wurde dieses Kreuz errichtet. Es findet sein Pendant im Cruz de ferro auf dem Jakobsweg in Spanien.
PilgerkreuzPilgerkreuz
Hier erinnert auch eine kleine Tafel an den „Mentor des Lutherweges 1521“, Bernd Rausch. Er hat den Lutherweg ins Leben gerufen.
Gedenktafel am Pilgerkreuz
Wege gibt es genug am Herzberg!
Wegweiser
Nun beginnt der eher kurze Abstieg, teilweise auf Forststraßen, teilweise auf Waldwegen.
Forststraße
Kurz vor unserm Ziel holt uns eine Regenwolke ein, die ein paar Wasserspritzer für uns übrig hat. Die Windjacke als Schutz reicht leicht aus.
In leichter Schutzausrüstung
Als wir in Grebenau ankommen, scheint schon wieder die Sonne.
Grebenau
Wir nächtigen heute bei Frau Fughe, Apothekerin in Grebenau, die Pilgern eine Unterkunft zur Verfügung stellt.
Grebenau – Paracelsus-ApothekePilgerzimmer
Nach einer Erholungszeit machen wir uns auf, den Ort zu erkunden.
Grebenau – Altes Rathaus – bis vor kurzem ein Restaurant Grebenau – Evangelische Kirche (verschlossen)
Das heutige Rathaus ist in einem historisch interessanten Gebäude untergebracht. Im 13. Jhdt. entstand hier eine Wasserburg, die der Sicherung der „Kurzen Hessen“ – Straße diente. Nach der Zerstörung der Burg 1269 wurde das Burggebäude von den Johannitern wieder aufgebaut und um 1278 eine Kommende gegründet.
Grebenau – Rathaus
Organisatorisch haben wir heute unsere flexible Seite zeigen dürfen. Die geplante Mittagspause auf Burg Herzberg fiel der Sperre zum Opfer, die einzige Pizzeria im Ort hat jetzt Montag und Dienstag geschlossen. Die nächsten Restaurants sind mindest fünf Kilometer entfernt und der Pizzadienst fährt Grebenau wegen einer Baustelle im Ort nicht an. Wir haben in einer Fleischerei gegessen, in einer Bäckerei Kaffee und Schwarzwälder Schnitte genossen und uns ein Bier aus dem Edeka – Laden mit aufs Zimmer genommen.
Nach dem durch den Covid-Virus verusachten Abruch der Wanderung im letzten Jahr versuchen wir es heuer wieder. Wir wollen da wieder anfangen, wo wir im Vorjahr aufgehört haben: im kleinen Dorf Niederjossa.
Unser Plan: mit dem Schienenersatzverkehr um 05:05 von Graz-Liebenau zum Hauptbahnhof Graz. Von dort soll uns der EC 218 (ab 5:45 ) nach München bringen (an 11:41). Mit dem ICE 788 geht es ab 12:20 nach Fulda (an 15:01) und mit der RB 5 (ab 15:20) nach Bad Hersfeld (an 15.48). Von dort soll uns der Bus X33 nach Niederjossa bringen. Ich bin schon gespannt, wie pünktlich unsere Anschlüsse sind.
Hauptbahnhof Graz
So, die erste Teilstrecke haben wir hinter uns und sitzen im EC 218 nach München.
Taurus 2 -Lok des EC 218
Bei prächtigem Wetter begrüßt uns der Grimming im Ennstal.
Grimming
Wir kommen mit nur 7 Minuten Verzögerung am Hauptbahnhof in München an und können entspannt auf unseren ICE 788 warten.
Wieder verlassen wir den Bahnhof pünktlich und lassen uns nach Norden fahren.
Hbhf MünchenICE 788
Der Zug ist recht voll, weil zahlreiche Passagiere eines anderen Zuges aufgenommen werden mussten.
Im ICE
Zwei Minuten vor der Zeit treffen wir in Fulda ein und haben ein bisschen Zeit, auf den Bahnhofsvorplatz zu gehen und eine Jause für heute Abend zu kaufen.
Fulda – Bahnhofsplatz Fulda – Bahnhofsplatz
Der Zug nach Bad Hersfeld ist auch gleich da. Der Regionalzug ist recht voll.
Regionalzug RB 5
Nach nicht ganz einer halben Stunde erreichen wir Bad Hersfeld und sitzen gleich wieder im Bus.
Bad Hersfeld – Bahnhof
Nach elfeinhalb Stunden erreichen wir unser Ziel in Niederjossa in Idealzeit.
Niederjossa – evangelische Kirche mit Wehrturm
Wir haben uns im ehemaligen „Gasthof zum Schwan“ einquartiert, dort wo wir auch schon im letzten Jahr waren – einfach, aber sauber. Heute ist er nur mehr Quartier für Handwerker und Wanderer.
Diese Zusammenfassung des 2. Abschnittes der Via Francigena von Rom nach Süden beschreibt den Weg der Pilger von Rom in Richtung Jerusalem. Der führt mich auf der Via Trajana von den Ausläufern des südlichen Apennin in Richtung Adria und an der Küste entlang bis zum Stiefelabsatz Italiens.
Anreise und Rückfahrt: Für die Anreise hatte ich mich wie meistens für die Bahn entschieden: Graz – Bruck/Mur mit der S-Bahn und dann Umsteigen in den NightJet in Richtung Rom. In Florenz steige ich am Campo di Marte aus und fahre mit der Regionalbahn eine Station zum Bahnhof Firenze Centrale. Dort nehme ich den FrecciaRossa, der mich direkt über Rom nach Foggia bringt. Als Rückreisebahnhof habe ich mir Lecce ausgesucht, von dort geht die Fahrt ohne Umsteigen nach Bologna und weiter nach Mestre. Dort steige ich in den Railjet nach Klagenfurt um und wechsle in den Anschlussbus nach Graz, wo ich pünklich nach Fahrplan ankomme.
FrecciaRossaFrecciaRossaFrecciaRossa
Der Weg: Aus der Pulischen Ebene führt der Weg an die Küste und folgt der Küstenlinie bis an Ziel in Santa Maria di Leuca. Im Gegensatz zum 1. Abschnitt ist dieser landschaftlich wenig abwechsungsreich. Im nördlichen Bereich dominieren Wein- und Obstgärten, im südlichen Olivenhaine.
WeingartenAlter Olivenhain
Die Höhendifferenzen waren minimal, eher eine Abwechslung. Zum Leidwesen der Wanderer gab es tageweise viele asphaltierte Strecken. Ich war trotzdem überrascht, wieviele Schotterwege und Wiesenpfade noch zu finden waren. Stark befahrene Straßen sind oft von abgetrennten Fußwegen begleitet. Auf den anderen Wegen waren Fahrzeuge oft eine Abwechslung. Viele Abschnitte sind auch als Radweg ausgezeichnet,
AgrarwegKüstenpfadLandstraßeGeh-, Rad- und Agrarweg
Die Markierungen auf dem Weg sind sowohl in den Städten als auch außerhalb der Städte meist ausgezeichnet und eindeutig. Trotzdem ist es kein Nachteil, über ein Offline – GPS-App (OsMand+) zu verfügen. Die Netzverfügbarkeit war auch im Hinterland immer gegeben.
Ich habe mehrmals kleine Abweichungen von der „offiziellen“ Via Francigena genommen und einmal vor Otranto eine größere Änderung gewählt, um die sehr lange Etappe zu verkürzen.
Neue WegmarkierungNeue Wegmarkierung
Unterkunft und Verpflegung: Im Anhang gibt es auch eine Unterkunftsliste, die aber nur eine Anregung sein kann. Die Aktualität ist sehr unterschiedlich. Vor allem bei kirchlichen Unterkünften ändern sich die Telefonnummern (neuer Pfarrer – neue Nummer) ständig. Es gibt Möglichkeiten, in kirchlichen Einrichtungen und Sozialeinrichtungen unter einfachen Bedingungen zu übernachten. Stellenweise war es nicht einfach, ein geeignetes und kostengünstiges Quartier in entsprechender Entfernung zu finden. Es ist sehr empfehlenswert, am Abend vorher bei den Institutionen anzurufen und sich anzumelden, da größere Herbergen selten sind. Italienisch zu sprechen ist von Vorteil. Die Qualität der Quartiere ist nicht immer vom Preis abhängig. Herbergen laufen meist unter „donativo“ – frei Spende: je nach Angebot 20 – 25 Euro. Privatquartiere und Pensionen: 35 – 60 Euro.
Casa Francesco Oasis in AndriaOstello di Centro CerignolaB&B L’Aia di San Giorgio in VignacastrisiB&B Verdemare in Montalbergo
Viele Quartiere bieten kein oder erst ein spätes Frühstück an. Meist ist das Frühstück so sparsam, dass es besser ist, gleich in das nächste Cafe auszuweichen und nach eigenem Bedarf zu bestellen. Die Möglichkeit zum Abendessen war immer gegeben. Ich empfehle auch in Privatquartieren nachzufragen, ob es am Abend im Ort eine Verpflegsmöglichkeit gibt. Notwendige Einkäufe waren fast immer möglich. Die Ladenöffnungszeiten sind sehr unterschiedlich. Unterwegs gibt es auch längere Strecken ohne Infrastruktur.
Steak im Salat getarntMelanzaniAusnahmefrühstückPulpo
Natur und Kultur: Die Via Francigena Sud führt auf dieser Strecke durch uraltes agrarisch genutzes Gebiet, das seit vielen Jahrhunderten nicht nur die ortsansässige Bevölkerung, sondern auch das antike Rom nährt. So ist es nicht verwunderlich, dass es wenig wirklich „unberührte“ Natur gibt. Nichtsdestotrotz gibt es schöne Wanderwege abseits des Verkehrs. Besonders bei den Abschnitten direkt an der Küste blühen unzählige Blumen.
KlatschmohnOrchideeHundswurzBlumenwiese
Die kulturellen Highlights auf der Route sind ohne Zahl, seien es die vielen Relikte aus der Zeit der griechischen Kolonialisation, der Römerzeit, seien es die alten Kirchen und Burgen aus der Normannenzeit und dem Mittelalter oder die Paläste aus dem Barock. Fast jeder Ort kann mit einem mittelalterlichen Kern oder interessanten Gebäuden der Renaissance oder des Barock aufwarten.
Amphitheater in LecceAbbazia Santa Maria di CerrateVia Traiana in Egnazia
Unterwegs habe ich einige WeitwanderInnen getroffen, die teilweise in Rom oder unterwegs gestartet sind, ein Wanderer ist auch aus dem Süden in Richtung Rom unterwegs gewesen. Alle waren schon sehr wandererfahren. Für Anfänger ist dieser Weg sicher nicht die erste Wahl.
Wanderführer: Für die Via Francigena Sud gibt es zwei englischsprachige Wanderführer. Ich habe diesen verwendet.
The Via Francigena in Southern Italy 930km on foot across Lazio, Campania, Basilicata and Apulia Angelofabio Attolico Claudio Focarazzo Lorenzo Lozito
Lingua: Inglese Regione: Basilicata, Campania, Lazio, Puglia Cultural Routes of the Council of Europe
From Rome to Santa Maria di Leuca: a spectacular Way along ancient consular roads, archaeology and nature, castles and abbeys, and boundless horizons where land, sky and sea meet.
From the Appia Antica Park to Terracina, Gaeta and Sessa Aurunca.
Then on to Benevento, a strategic point where the Appia and the Via Traiana come together.
The Way continues through the Gargano and Salento to the destination, the historic ports to sail for the Holy Land.
A Way full of light and beauty. ISBN: 9791259960504
Anno:2022
Pagine: 288
Seit Mitte April 2025 gibt es auch einen neuen Führer, der von Sandy Brown, einem Wanderspezialisten herausgegeben wird. Ich kenne den Inhalt noch nicht, er ist aber sicher empfehlenswert.
Walking the Via Francigena Pilgrim Route – Part 4
von Sandy Brown und Nicole Bukaty / Cicerone Rome, Monte Sant’Angelo and Bari to Santa Maria di Leuca Sprache:Englisch, EAN: 9781786312495 2025
Statistik: An den 20 Gehtagen habe ich mehr als 515 km zurückgelegt, für die „nackten Nettokilometer“ bleiben nach Abzug der Stadtbesichtigungen und diverser „Ehrenrunden“ 475 km übrig. Dabei fielen etwa 1350 Bergauf- und 1420 Bergab- Höhenmeter an. Die bereinigten Tagesstrecken ohne Besichtigungen lagen zwischen 16,7 und 33,3 km, im Median 23,0 km.
Alle Angaben bezüglich der Quartiere und Distanzen sind ohne Gewähr. Es liegt in der Eigenverantwortung des Benutzers, sich von der Richtigkeit zu überzeugen.
Jetzt gibt es wieder strahlendes Wetter, das Tief hat sich verzogen. Ich bin rechtzeitig am Bahnhof, um mir ein Frühstück zu gönnen.
Bahnhof LecceAV8816 nach Venezia SL.
Der Frecciarossa ETR600 nach Venezia Santa Luzia ist schon bereitgestellt. Die Strecke führt diesmal auf der Adriatica – Brindisi – Bari – Ancona – Bologna – Padua – Mestre.
Frecciarossa ETR600Privatzug
Der Zug fährt pünktlich ab und jetzt kann ich meine Wegstationen in umgekehrter Reihenfolge vom Zugfenster aus verfolgen. Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, wenn man eine Strecke, für die man 15 Tage unterwegs war, nun in nur zweieinhalb Stunden zurücklegt.
Brindisi und Bari sind hinter uns. Rechts in Fahrtrichtung ist immer wieder die Adria zu sehen.
AdriaBarletta
Von Foggia bin ich auch im Vorjahr nach Hause gefahren. Ich bin schon neugierig, wie es heute gehen wird.
Foggia
Auf den Abruzzen, wahrscheinlich Parco Nationale della Majella (bis 2700 m), gibt es noch Schnee.
Abruzzen
Ancona haben wir pünktlich verlassen, stehen aber jetzt wegen eines Defektes eines anderen Zuges in Senigallia.
Ancona
Geschafft! Obwohl wir zwischendurch 24 Minuten Verspätung haben, kommen wir pünktlich in Mestre an. Dass der Railjet RJ120 nach Wien am Nebengleis abfährt, erleichtert die Sache gewaltig.
Über diese Brücke über den Tagliamento bin ich im Mai 2018 auf dem Weg nach Rom unterwegs gewesen.
Tagliamento
Da kommen wieder Erinnerungen auf: durchs Kanaltal bin ich auch gewandert.
Fiume Fella
In Villach brauchen wir einen neuen Triebwagen. Das heißt eine Verzögerung von 20 Minuten. Macht nichts, wir haben Zeit.
Hauptbahnhof Villach
In Klagenfurt steige ich in den Intercitybus nach Graz um.
IC-Bus Klagenfurt – Graz
Um 22.30 Uhr bin ich nach fünfzehneinhalb Stunden Reise zu Hause.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei den vielen lieben Menschen bedanken, die dieses Abenteuer unterstützt und ermöglicht haben. Bei den Quartiergebern, die sich oft über das Vermieten hinaus gekümmert haben, bei den Menschen, die ihr Auto auf der Strecke einfach angehalten haben und mir alles Gute gewünscht gaben oder die mich auf der Straße oder in Cafés angesprochen haben.
Ganz besonders möchte ich mich bei meiner „Bodenstation“, bei Heidrun, bedanken, die in Gedanken immer eine Etappe vor mir unterwegs war und mich mit Infos versorgt hat. Auch die Korrektur des Blogs hat sie zu jeder Tages- und Nachtzeit vorgenommen.❤️❤️❤️ Schade, dass sie nicht dabei sein konnte!