Um es vorweg zu nehmen: Gestern gab’s sehr viel Asphalt, heut‘ war es auch nicht viel weniger. Aber abgewandelt von Karl Valentins Spruch: Ich freu mich auf den Asphalt, weil wenn ich mich nicht freuen tät‘, wäre er auch da! Besonders freue mich, dass ich merke, wie ich in den Wander-Flow komme.
Heute beim Frühstück habe ich ein Wanderpärchen getroffen, das von Süd nach Nord unterwegs ist, aber eine andere Route einschlägt. Unterwegs begrüßen mich viele als Pilger. Das ist mir sonst kaum passiert.
Die Hinterfront meiner Unterkunft ist viel schöner und interessanter als die Marktplatzfront.
Werne war lange Zeit eine Bergbaustadt. Hier wurde im 19. Jhdt. Kohle abgebaut. Ein altes Förderschachtrad und eine Barbarastatue erinnern daran. Auf der Suche nach Kohle stieß man auch auf das Sole-Vorkommen, das bis heute für das Solebad Verwendung findet.
Hier beginnt schon fast das Ruhrgebiet. Die Kohle aus den Bergwerken wurde im 20. Jhdt. bis heute in Wärmekraftwerken verheizt. Das Kraftwerk Bergkamen südlich von Werne wird am 31.3.2024 stillgelegt. Der Schornstein ist 284 m hoch.
Am Stadtrand von Werne steht die regionale Logistikzentrum von Amazon, wo in Spitzenzeiten bis 4000 Mitarbeiter*innen beschäftigt sind.
Am Wegrand grünt und blüht es.
Endlich wieder Waldweg, wenngleich auch wieder schlammig! Nichts kann man haben, wie’s sein soll!
So sieht die Reihenhaussiedlung für Schwalben aus!
Das Schloss Cappenberg liegt auf einer Anhöhe auf über 110m. Es wird schon 1092 urkundlich erwähnt und im 13. Jhdt. in ein Prämonstratenserstift umgewandelt. Aus dieser Zeit stammt die romanisch-gotische Stiftskirche. Nach der Säkularisierung 1807 wurde es in ein Schloss umgewandelt. Heute ist das Schloss in Privatbesitz.
Nun geht es rasch auf die Stadt Lünen zu. Heute weiß ich, warum die Jugendherberge am Cappenberger See geschlossen hat. Es findet ganz in der Nähe der „Frühlingsbesäufnistag“ (Name von mir kreiert – Urheberrecht beachten!) statt. Zum 1. Mai marschieren Jüngere (und Ältere) mit Bollerwagen voll Bier, Schnaps und lauter Musik durch die Landen. Jeder hat zumindest eine Bierflasche in der Hand und um 11 Uhr sind schon viele „blunzenfett“. Die Einsatzorganisationen (Feuerwehr, Rettung, Polizei, Technischer Hilfsdienst etc.) haben Einsatzzentren eingerichtet und die Ordnungswache sperrt Straßen, um die Alkis nicht zu gefährden.
In der Stadt komme ich an der „Persiluhr“ vorbei. Da werden Erinnerungen an meine Werksstudenten-Zeit bei Henkel in Düsseldorf 1973 und 1974 wach. Damals produzierten wir dort pro Tag bis zu 1200 t Waschmittel. Es war eine Zeit mit vielen Erfahrungen, die ich nicht missen möchte.
Direkt gegenüber laufen Ochsen über die Straße als Symbol für die Tausenden von Rindern, die bis Köln getrieben wurden, um die Bevölkerung mit Fleisch zu versorgen. In Flensburg habe ich schon darüber berichtet.
Die Kirche St. Marien ist zwar als neugotischer Bau (1884 – 86) neueren Datums, beherbergt aber einige Kostbarkeiten.
Die Figur der Gnadenmutter schaut für mich verschmitzt drein, als wolle sie uns sagen: Nehmt nicht alles so ernst! Sie hat nichts von den sonst so erhaben dargestellten Marias an sich.
Ich besichtige noch den Innenstadtbereich von Lünen. Da hebt sich das neue Rathaus von allen Gebäuden ab.
Ist das Kunst? War da ein Aktionskünstler oder waren Rowdies am Werk. Leider zweiteres. Ersteres wäre mir lieber gewesen.
Leider gibt es in Lünen kein preislich adäquates Quartier. So habe ich beschlossen, dass ich mit der Bahn in die nächste Stadt, nach Dortmund fahre und dort zwei Mal übernachte. Von dort berichte ich aber erst morgen.
Tagesstrecke: 17,9 km; ↑ 79 m; ↓ 76 m und 4,1 km Stadtbesichtigung Dortmund