Es hat auch Vorteile, wenn Jungpilger (ich meine, die neu in den Jakobsweg einsteigen) glauben, um 5 Uhr in normaler Lautstärke mit ihren Partnern sprechen zu können, als ob sonst niemand da wäre. So stehe ich früher als sonst auf und mache mich zum Abmarsch fertig. Mit Pierre gehe ich in eine Bar zum Frühstück. Es gibt Riesencroissants, einen guten Kaffee und frisch gepressten Orangensaft.
Dann geht’s schon um 7.45 auf die Strecke.
Vorbei am Monasterio di Magdalena, das ich schon am Vortag besichtigt habe. Ans Kloster ist auch eine große Schule angeschlossen.
Der Weg führt durch eine sanfte Hügellandschaft. Wir kreuzen die Eisenbahn und die Autobahn, bis wir in den Wald einbiegen. Aus den vielen Kastanienbäumen sticht wieder einer hervor.
Der Himmel wird von Nebel und Wolken verdeckt. Da es nicht kalt ist, ich gehe im kurzärmligen T-Shirt, es sind ideale Bedingungen fürs Wandern.
Die kleine Kirche von Barbadello sticht durch ihren romanischen Stil hervor.
Auf dem Jakobsweg ist der Volkswandertag ausgebrochen.
Ich möchte nicht wissen, was hier in der Hochsaison los ist.
Einige Obstbäume blühen hier noch, obwohl sie auch schon kleine Früchte tragen.
Immer wieder werden kleine Bäche durch Furten für die Tiere und für Fahrzeuge durchgängig gemacht, während die Fußgänger auf bequemen Granitplatten spazieren können.
Digitalis purpuraea gibt’s soviel, dass man damit halb Spanien ausrotten könnte.
Dann kommt der Moment: Einer der als Marke für die 100 km – Entfernung nach Santiago gekennzeichneten Punkte. Pierre und ich haben diese Marke übertroffen. Am Ende des Tages können wir mit Sicherheit sagen, dass wir seit Saint-Jean-Pied-de-Port mehr als 700 km zu Fuß zurück gelegt haben und dass weniger als 90 km vor uns liegen.
Wir wandern durch mystische Kastanien- und Eichenwälder und
durchstreifen grüne Wiesen.
Und immer wieder gibt es Kurioses zu sehen. Irgend jemand hat seine Sachen abgelegt und andere haben ihre dazu gegeben. Einmal im Jahr kommt wahrscheinlich die Müllabfuhr und beseitigt das Ganze.
Jetzt habe ich sicher einen schweren Frevel in den Augen einiger Camino-Jünger begangen.
Der Weg selbst ist auffallend sauber. Alle bemühen sich offensichtlich, dass das so bleibt.
Dann leuchtet der Embalse de Belesar, ein Stausee des Rio Miño aus dem Tal herauf.
Das alte Portomarin verschwand in den 1960ern in den Fluten, nur zwei Kirchen wurden abgbaut und an sicherer Stelle wieder errichtet.
Über eine Brücke gelangt man in den Ort, über eine andere gehe ich dann wieder über den Monte Torros nach Gonzar, einem kleinen Weiler mitten im Gemüse.
Beachtenswert ist die Dachkonstuktion unserer Herberge.
Ein Nachtrag zu gestern: Eine Holländerin und ich sind auf dem Weg von „wilden“ Hunden angefallen worden. Normalerweise liegen die Hunde hier irgendwo im Schatten oder in der Sonne und kümmern sich überhaupt nicht um Pilger.
Die sieben Exemplare haben uns durch ihr Verhalten so aus der Fassung gebracht, dass wir sogar kurz eine Abzweigung übersehen haben. Dass wir unbeschadet davon gekommen sind, ist der Tatsache zu verdanken, dass die beiden großen Exemplare gerade an Dackelgröße herankamen und die übrigen fünf ihre grade lauffähigen Welpen waren. Der Krach, den sie verursachten, war aber gewaltig.
Gratuliere zum „unter 100er“!